von Ida Manko
Ich habe frei, ich muss mich nicht in mein Auto setzen und zur Arbeit fahren. Kein Stau, keine laut quietschenden fröhlichen Moderatoren, deren Stimmen aus meinem Radio ertönen, bevor ich mich dazu entscheide, einen meiner Streaming Dienste für Musik zu nutzen. Morgens höre ich gerne ruhige Sachen, klassische Musik oder ähnlich stillschweigende Künstler. Doch natürlich ist der Weg zur Arbeit keine Yoga Stunde, bei welcher ein grüner Tee die Idylle abrundet. Für mich ist es eine Art Analyse der Menschen, die stattfindet, solange ich die Pedale in meinem Auto betätige und versuche, Netz zu finden für meine Musik, die ich streame. Kein Automatik Auto zu haben hält einen an so manchem Morgen um halb sechs in der Früh wach. Ich sehe Menschen, die gerade erst ihren Kaffee am Fenster zum trinken vorbereiten, andere, die sich bereits auf die Straße quälen und wiederum andere, die ihre Autohupen betätigen, als wären es Sekundenzähler, um den richtigen Takt zu finden beim Spielen eines Instrumentes. An manchen Tagen lache ich die Menschen, die im Stau neben mir stehen, einfach an, ich schaue was passiert. Meistens erhält man ein ähnlich ehrliches Lächeln zurück und siehe da, der Tag scheint gleich ein wenig besser zu beginnen. Aber nein, heute habe ich frei. Ich wälze mich noch ein paar Mal im Bett herum, bevor ich entscheide aufzustehen und eine Dusche zu nehmen, welche bei meiner Wasserwunschtemperatur einem Saunabesuch ähnelt. Doch dann entscheide ich erst noch, einen Blick auf mein Handy zu werfen. Im Grunde genommen wundere ich mich jeden Morgen, dass mein Telefon den Geist noch nicht aufgegeben hat, denn über Nacht auch wenn alle schlafen, erhalte ich E-Mails, Nachrichten, Bestellbestätigungen, Likes auf sozialen Medien, Jobangebote, den Kummer und Leid der Welt in einer Spalte mit einer frohen Nachricht einer Freundin. Ich versuche zu reagieren, ich tippe wie irre, denn ich bin gelangweilt vom Smalltalk und doch möchte ich aktiv bleiben, es nur eben schnell erledigen. Ich entscheide mich, einen Blick in meine sozialen Medien zu wagen und mir ein Bild oder ein Video anzusehen. Ich müsste auch noch etwas bestellen, um nicht extra aus dem Haus zu müssen, denn ich gehe viel lieber mehrmals zur Post, um Pakete zurück zu bringen. Was ist passiert? Die anderen kommen gleich von der Arbeit, ich muss noch duschen. Nur noch dieses eine lustige Video, bei dem ich laut auflachen muss, auch wenn ich gerade alleine bin. Schnell noch einmal antworten auf das Meme, denn die Kommunikation mit engen Freunden beruht auf Memes. Vielleicht sollte ich meine Bettwäsche wechseln, gleich ist Schlafenszeit, aber morgen habe ich auch frei und kann wie heute entspannt viel erledigen.
© Ida Manko 2022-03-15