Ein ganz normaler Tag eben. Teil 2

Melissa-Imani

von Melissa-Imani

Story

Mir die zu Mühe machen, ein einfallsreiches Mittagessen zu zaubern habe ich schon längst aufgegeben. Ob es an meinen anscheinend nicht vorhandenen Kochkünsten liegt (ich bin die Einzige, der mein Essen schmeckt) oder ob meine Kinder schlichtweg nichts mögen was nicht nach Spaghetti oder Pizza aussieht, weiß ich nicht. Fakt ist, am Ende bleiben die Teller kaum angerührt und ich drohe ihnen mit erhobenem Finger, dass es nichts anderes zu essen gibt. „Ja wissen wir Mama. Wir wollen spielen. Wir haben keinen Hunger.“ Schnell aufräumen, dann dem kreativen Anfall der mich aus heiterem Himmel heimsucht hingeben. Ich weiß nie wie lange es so schön friedlich ist. Der nächste Streit zwischen den Geschwistern wird bestimmt in Kürze ausbrechen.

Wo soll ich anfangen? Ein paar Zeilen auf Story.one? Oder doch lieber an meinem schon fast eingerosteten Roman weiter schreiben? Meine Instafollower wollen möglicherweise auch wieder einmal einen Blogeintrag von mir. Ich könnte über meine Kundin schreiben, die sich selbst die Haare geschnitten hatte. Oder lieber in Kürze ein Bild malen oder die Wohnung um-dekorieren?

Es klingelt an der Tür. Es ist mein kleiner Freund, der Nachbarjunge. „Darf ich mit dir spielen?“ Seine blauen Augen blicken mich hoffnungsvoll an. “Ich habe leider keine Zeit. Vielleicht spielen die Kinder mit dir?”- „Ich will aber mit ‘dir’ spielen.” Ich muss stark sein. NEIN sagen. Einfach NEEEIIIN. Warum bringe ich dieses Wörtchen nicht über meine Lippen? „Ja na gut, komm rein. Was spielen wir?” -„Lego.“ Oh Mann, ich spiele überhaupt nicht gerne. Aber sein putziger Blick lässt mich einfach nicht NEIN sagen. Schon sitze ich mit dem kleinen Jungen im Zimmer meines Sohnes und baue ein Gefängnis ohne Tür zusammen (Die Gefängnistür ist unauffindbar.) “Mama, ich habe Hunger. Darf ich was essen?” ruft meine Kleine. “Schatz, du hattest keinen Hunger. Also Nein.” Sie wirft sich dramatisch zu Boden. „Ich habe auch Hunger“, sagt jetzt der Nachbarjunge. Mein Sohn, der fein säuberlich seine Fußballbildchen in sein Heft klebt, ruft lässig: „Ich will auch essen. Können wir zum Inder?” Ich betrachte die Szene, die sich vor mir abspielt: In einer Ecke meine Tochter in dramatischer Liegeposition auf dem Boden ihren Bauch vor Hunger haltend. In einer anderen Ecke mein Sohn, der friedlich seine Fußballbilder sortiert und noch immer glaubt, ihm werde demnächst leckeres indisches Essen serviert. Dann wäre da noch der kleine putzige Nachbarjunge inmitten seiner Legosteine, darauf wartend, dass es bald etwas zu futtern gibt. Ob ich lachen oder weinen soll, weiß ich gerade nicht. Aber alle drei Kinder verhungern lassen… Kann ich nicht.

Erneut stehe ich nun in der Küche. Schmiere Butterbrote und schwöre mir, ab jetzt nur noch Butterbrote zu machen. Punkt. Nie. Mehr. Kochen.

Mein Handy klingelt. Eine Erinnerungsmeldung: Heute Abend kochen für die ganze Familie für den Geburtstag von meinem Bruder.

Ein ganz normaler Tag eben.

© Melissa-Imani 2022-11-14

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