von Nina Hermann
Wer bist du?
Ich runzle die Stirn und sage nichts. Nachdenklich mustert Oluko mich.
Du kannst wohl nicht Niemand sein.
Das leuchtet mir ein. Stumm betrachte ich das Irrlicht. Mit einem Mal beginnt es, in trägen Ellipsen über die Lichtung zu schweben, wie ein rotierendes Pendel, versunken in ein schäumendes Flüstern. Mit einem ungeduldigen Zucken zieht der Lichtball seine Bahnen und scheint mich in seinem Selbstgespräch bald vergessen zu haben. Hin und wieder bleibt er vor mir stehen, wendet sich wieder ab, pendelt weiter über die Lichtung, bleibt wieder vor mir stehen. Plötzlich hängt er direkt vor meinem Gesicht in der kalten Nachtluft und hält inne.
Es ist schon viele Leben her, aber mir ist auf dieser Lichtung einmal ein Reisender begegnet. Fast so verloren wie du stolperte er mir entgegen, aber einen Namen hatte er.
Oluko hält kurz inne, als müsse er sich vergewissern, dass seine Erinnerung ihn nicht trügt. Dann flüstert er den Namen, der mir zaghaft und verheißungsvoll um den Kopf streicht, bevor er wie Rauch im Nichts verschwindet. Als hätte Oluko mir damit eine Frage gestellt, erfüllt eine erwartungsvolle Pause die verlassene Lichtung.
Für einige Augenblicke fühlt es sich an, als würde die Zeit langsamer vergehen, in einem zähen Sirup fließt sie pochend an mir vorbei. Die Entscheidung, die ich nun treffe, fühlt sich an wie das Aufstoßen einer Tür, ich spüre den Luftzug, der mir von der anderen Seite entgegenschlägt.
Wieder runzle ich die Stirn. Schließlich lege ich mir den geborgten Namen wie einen Mantel um und gehe prüfend ein paar Schritte darin auf und ab. An einigen Stellen ziehe und zupfe ich daran, bis er sich, an mich geschmiegt, an jede meiner Bewegungen anpasst. Ich strecke mich wie eine Katze und werfe Oluko schließlich einen verstohlenen Blick zu.
Ich nicke. “Ich glaube, er wird passen.”
© Nina Hermann 2023-06-16