von Ingmar
Der Tag beginnt stark bewölkt. Morgen kommen Sebastian und Michael für eine Woche zu Besuch. Daher beschließe ich vormittags einzukaufen und gleich alles in den Garten zu bringen. Auch den Staubsauger packe ich ins Auto. In so einem Gartenhaus machen sich sehr schnell Spinnweben breit, wenn man nicht immer dahinter ist, sie zu entfernen. Vor dem Saugen wische ich noch alle Schränke ab und komme dabei schnell ins Schwitzen. Endlich fertig, bereite ich mir ein schnelles Mittagessen und nehme es auf der Terrasse zu mir. Mir fällt Vogelgezwitscher auf, das sich irgendwie komisch anhört. Es lässt mir keine Ruhe, ich muss der Sache unbedingt auf den Grund gehen. Ich laufe an der Regenwassertonne vorbei und da höre ich es wieder. Das Gezwitscher kommt aus der Tonne. Schnell räume ich den großen Kaktus weg, der auf der Abdeckung steht, und mache einen Blick hinein. Außer Wasser nichts zu sehen. Da hab ich mich wohl getäuscht, denke ich. Zur Sicherheit lasse ich das Fass aber offen. Nach einigen Minuten erklingt wieder das Vogelgezwitscher und ich bin sicher, das arme Tier steckt im Fallrohr. Leider kann ich von oben nicht zur Regenrinne, so überlege ich, womit ich von unten in das Rohr stochern kann. Es muss etwas Weiches sein, da das Rohr beim Auslauf gebogen ist. Natürlich will ich auch den Vogel nicht verletzen. Meine Wahl fällt auf ein Stück Gartenschlauch. Doch es ist nicht nötig, denn als ich zu Werke gehen will, sehe ich die kleinen Füßchen. Er sitzt ganz am Ende des Rohrs und hat nur überlebt, weil es gebogen ist. Mit einem Stück Holz versuche ich ihm den Ausstieg zu erleichtern. Ein Stück entfernt setze ich mich hin und möchte beobachten, wie er davonfliegt. Doch nichts tut sich. Der Arme traut sich nicht und ich muss ihm wahrscheinlich helfen, so meine Gedanken. Der Vogel ist nicht zu sehen, aber zu hören. Nach leichtem Klopfen an die Regenrinne kommt er wieder zum Vorschein. Beherzt greife ich zu und hebe die Hand um ihn fliegen zu lassen. Doch er klammert sich an meine Finger, bleibt sitzen und zwitschert verzweifelt. Jetzt wird mir bewusst, dass es ein Jungtier sein muss und noch nicht fliegen kann. Was mache ich jetzt? Die Lebensgefährtin meines Sohnes arbeitet im Tierheim, daher greife ich sofort zum Telefon. Ihre Antwort kommt postwendend. Sie hat heute frei, aber ich solle den kleinen Vogel ins Tierheim bringen, sie würde dort anrufen und mich anmelden. Schnell nehme ich ein Körbchen, setze das Tierchen hinein und mache mich auf den Weg. Im Tierheim erfahre ich, dass es eine Amsel ist, die ich gerettet habe. Eine der Tierpflegerinnen setzt sich sofort ins Auto und fährt die kleine Amsel nach Gföhl, wo es eine Vogelaufnahmestation gibt.
Ich hoffe die Amsel überlebt den Schreck. Meinen Sohn werde ich bitten, ein Gitter über dem Abflussrohr der Dachrinne anzubringen, damit so etwas nicht mehr passieren kann.
© Ingmar 2025-06-28