von SallyRDollinger
Es ist ein wundervoller und warmer Morgen im April. Ich hab noch ein bisschen Zeit für mich, denn meine Tochter schläft noch. Ich beschließe, dass ich heute draußen am Balkon meinen Kaffee trinke und schiebe die Türe auf. Die Vögel singen ihre schönsten Lieder und der Wind weht sanft. Es duftet so herrlich nach Frühling. Ich stelle meine Tasse auf den großen Holztisch und geh nochmal rein um ein paar Sachen rauszuholen.
Ein Korb mit Geschenken und Kuverts, die meine Tochter gestern zu ihrer Taufe in Maria Plain bekommen hat. Ich hab alles zusammen gegeben und will es mir jetzt in Ruhe anschauen.
Ein Kinderkreuz ist dabei, ein Goldkettchen mit Schutzengerl, süßes Kindergeschirr, ein selbstgenähter Beutel mit besticktem Namen, eine Holzspardose mit Gravur, 2 Dukaten und jede Menge Kuverts. Es vergeht einige Zeit bis ich mir alles durchgesehen habe. Ich freue mich über die lieben Geschenke.
Ein Kuvert sticht mir besonders ins Auge, es ist dicker als die anderen und raschelt ein bisschen wenn ich es in der Hand halte. „Hmmm, was mag da wohl drinnen sein?“, denke ich mir und beginne es zu öffnen.
Ein kleines dunkelblaues Schmuckkästchen und darauf steht: Bitte ganz vorsichtig öffnen! OK, meine Neugier ist geweckt und ich kann es gar nicht mehr länger aushalten es zu öffnen. Mit den Fingern hebe ich ganz vorsichtig und langsam den Deckel.
Erst bin ich ein klein bisschen verwundert, weil ich es nicht gleich zuordnen kann. Ich sehe es mir näher an und nehme es aus der kleinen Box heraus. Es funkelt und glänzt so schön im Sonnenlicht. Ein goldener Anhänger in Herzform schön verziert. Da die Form und Oberfläche nicht ganz perfekt ist, nehme ich an, dass der Anhänger selbstgemacht ist. Das würde gut zu meiner Großtante passen, von der das Kuvert stammt.
Die beigelegte Karte lese ich. Schon nach wenigen Worten muss ich erst mal tief atmen. Die Zeilen, die ich da lese, berühren mich so sehr, dass es mich mit voller Wucht im Herzen trifft. Tränen laufen über meine Wange.
Meine Großtante hat mit so viel Liebe einen Herzanhänger selbst gemacht und handvergoldet. Und das allerschönste hat sie darauf dekoriert. Es ist ein Zahn.
Es sind Freudentränen, die ich weinen muss und schöne Erinnerungen, die mein Herz berühren, die auf einmal wieder klar vor meinen Augen sind.
Auf der Karte steht: „Liebe Sally, deine Urli-Omi, meine Mutti, hat mir vor sehr langer Zeit etwas gegeben und gesagt, ich soll für Dich oder vielleicht sogar einmal für Dein Baby zu einer passenden Gelegenheit etwas Schönes daraus machen. Es war Dein erstes Milchzähnchen. Tja, ich glaube, das habe ich in ihrem Sinne getan! Deine Urli hat Dich sehr, sehr lieb gehabt!!!“
Ja, meine Uroma hab auch ich über alles geliebt. Ich habe sie leider verloren, als ich 15 Jahre alt war. Ich hätte niemals gedacht, dass ich 20 Jahre nach ihrem Tod mit ihrer liebevollen Geste beschenkt werde.
Den Anhänger behalte ich erstmal für mich und wer weiß, vielleicht werde ich ihn irgendwann einmal meiner Tochter schenken?
© SallyRDollinger 2020-05-13