Ein Hoch auf die Faulheit

Beederl

von Beederl

Story

Oh, wie verpönt ist das Wort – mein Vater dreht sich im Grabe um, er kannte dieses Wort sein Lebtag nicht. Man war nur was Wert, wenn man stetig und viel arbeitete. Und so bin ich oftmals bis heute aus der pubertären Revolte nicht herausgekommen, obwohl ich immer wieder mindestens zwei Jobs gleichzeitig gemacht habe, um mir ein wenig Luxus (in meinem Sinne) leisten zu können.

Im letzten Jahr war ja Stillstand angesetzt, und so kam mir meine Affinität zum Nichtstun da erstmals offiziell entgegen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Ich kann “stundenlang” auf einen Fleck starren oder schlafen, nichts tun, nichts denken, nichts wollen. Nichts treibt mich – ich ruhe in mir selber, muss mich ab und zu daran erinnern, aufs Atmen nicht zu vergessen. Und so nehme ich wieder einen tiefen Atemzug, das Zeichen, dass ich noch lebe.

Rund um mich hektisches Treiben, der eine muss das, der andere jenes. Die Telefonate mit “ich muss heute noch… und morgen…” kann ich schon nicht mehr hören. Jeder tut doch eh, was getan werden muss, sofern er normal im Oberstübchen ist. Jeder will etwas voranbringen, etwas schaffen.

Aber sich ständig über Tun und Arbeit und Geschaffenes, Erreichtes zu definieren, finde ich mittlerweile richtig öd.

MEINE Worte sind die Worte Genießen und Müßiggang. Diese Worte klingen wohlig innen und außen. Es braucht lange, sich über Konventionen hinwegzusetzen und nach der Frage “was hast du heute gemacht”, sich sagen zu trauen: “NICHTS”.

Das Schreiben kommt mir da gerade Recht, es ist süßes Nichtstun – und trotzdem tut man so viel! Es ist nicht nur Eigenbeschwichtigung, sondern es treibt mich wirklich, so fließend die Worte heraussprudeln zu lassen und seiner Intuition nachzugeben.

Ich sage immer “ja, wenn da wer wäre, dann müsste man sich ja anpassen, den Tag aufeinander abstimmen, gemeinsam was tun”. Da IST aber keiner, der irgendwas wollte von mir und mit mir, geschweige denn ist da keiner, der sagt “Schatz, komm ins Bett…!” Ja, DAS würde mich schlagartig ins Tun katapultieren – ich würde TUN – MIT IHM!

Aber so weit hat es schon lange keiner geschafft: Entweder er sagt, sorry, du gefällst mir nicht, oder ich sage, du hast mich mit EINEM Wort (einem Gedankengang) verletzt. Ich werde keinen Mann mehr ändern wollen, ihm lernen wollen, was eine Frau verletzt.

Und ich ertappe mich schön langsam bei dem Gedanken, ob meine oft rigorose Ablehnung nicht doch eine Flucht ist, weil ich den drohenden Angriff auf meinen Wohlfühlfaktor Müßiggang erahne?

Da bräuchte es einen Gefährten, der ähnlich (in der Pension darf man das) tickt und der so tolerant (weil es ihm ein Bedürfnis ist) wäre, meine Lebensweise als wertvoll hinzunehmen resp. zu genießen! Er könnte mich ja mit Schmeicheleien und Zärtlichkeiten umgarnen und mich ab und zu doch herauslocken: aus meinem gepanzerten Mäuseloch (es befindet sich hinter der warmen Ofenbank).

Mit Sätzen wie “der Kaffee ist fertig” oder “das Essen steht am Tisch”, ging’s auch!

© Beederl 2021-05-17