Ein italienischer Traum

„Nie werde ich die Sterne erreichen …“, sehnsuchtsvoll blickte Lorenzo in den Nachthimmel. Er, der Sohn eines sizilianischen Nudelmachers stahl sich manchmal des nächtens, wenn der allzu strenge Padre nicht über ihn wachte, hinaus. Am Hügel, hinter dem Haus, beim alten Olivenwäldchen konnte er die Gestirne betrachten. Sie funkelten in diesen Momenten nur für ihn, erzählten ihm eine Geschichte, von fernen Galaxien, von mutigen Helden und gar schauderhaften Gestalten.

So waren manche seiner Nächte.

Am Tag aber war er umgeben von dürren Spaghetti, hauchdünner Lasagne, dicken Bucatini, saftigen Tortellini, hohlen Canelloni, lieblichen Farfalle, rollenden Rotelle und widerspenstigen Armoniche.

Es waren wohl die grazilen, meterlangen Spaghetti, die es ihm am meisten angetan hatten und die ihn auch auf die großartige Idee brachten. Eines Nachts entnahm er die lange, mit verschnörkelten Rosenzweigen verzierte Silbergabel aus der Nudelküche. Sie war nur dem Padre vorbehalten, um die neuen Kreationen aus dem kochenden Wasser zu fischen.

„Spaghetti, mein Sohn, kann man auf mehrere Arten genießen, manch einer, der die feinen Geschmäcker liebt, schlürft die grazilen Nudeln, der, der die vollen Schüsseln liebt, löffelt sie und so manch Geselle, der den schnellsten Weg sucht, schneidet sie gar mit dem Messer kurz und klein. Aber der wahre Sizilianer, mein Sohn, der zwirbelt seine fragilen Gottesgaben …“

Nun stand er da, der wohlduftende Boden des Olivenhains unter ihm, der unendliche Nachthimmel über ihm. So begann er, den Himmel mit der Gabel des Padre ein Stückchen aufzuzwirbeln. Stück für Stück drehte er die Gabel und holte so den Himmel, mitsamt den Sternen zu sich herab. Nicht alles…nur ein kleines Stück der Unendlichkeit.

Und von dieser Nacht an gab es etwas Neues in der sizilianischen Nudelküche …es gab die Sterne, als kleine Nudeln im Suppentopf der Mutter…aber, die Sternchensuppe, die kennst du doch sicher auch, oder?