von Kerstin Wider
Jetzt ist das neue Jahr schon zwei Tage alt und ich hoffe, dass ihr einen guten Start hattet. Oder – wie ich – einen ruhigen (was natĂŒrlich auch gut sein kann). Meinen ersten Tag des Jahres habe ich tatsĂ€chlich sehr entspannt verbracht: erstmal ausschlafen (was nur bedingt geklappt hat), zwei Morgenkaffee auf der Bank…ein sehr kleiner Spaziergang im Nieselregen…ein schöner Mittag bei meinen Eltern (wo ich entgegen meiner Annahme von gestern Abend sogar etwas gegessen habe)…ein ausgiebiges Bad, frĂŒh im Bett – fertig. Wobei…nicht ganz fertig. Denn ich habe gestern Abend noch eine Geschichte gefunden , die mich inspiriert hat… Und weil sich das mittlerweile bewĂ€hrt hat, habe ich sie umgeschrieben und teile sie jetzt mit euch.
Das kleine Licht
Es war einmal ein kleines Licht â ganz winzig klein und noch sehr jung. Es sehnte sich danach, endlich gröĂer zu werden und hell zu strahlen. Doch seine Mama sagte: âDu bist noch zu klein.â Deckte es zu und wĂŒnsche ihm eine gute Nacht. Traurig bemerkte das kleine Licht eine dĂŒnne Schicht ĂŒber sich und schlief ein.
Dann wurde das kleine Licht in den Kindergarten und in die Schule geschickt und ermahnt: âHör immer auf das was die Erzieher und Lehrer Dir sagen!â Wieder legte sich eine dĂŒnne Schicht um das Licht. âSei immer schön brav!â â die nĂ€chste Schicht. âSei immer schön normal und pass Dich anâ â noch eine Schicht. âSei gelbâ âSei grĂŒnâ âSei blauâ âFunktioniere und stell nicht so viele Fragen….Und das kleine Licht wollte funktionieren und es immer allen anderen recht machen. So wurde aus der kleinen Lichtperle bald eine recht groĂe Kugel â rund, normal glanzlos…Immer unauffĂ€llig wollte sie niemals anecken. So fand sie sich eines Tages als FuĂball wieder. Sie wurde getreten, hin und her geschubst und niemand schenkte ihr Beachtung. Das Licht war fast verschwunden. Nur im Inneren gab es noch einen kleinen Schimmer.
Und eines Tages erinnerte sich die Kugel endlich wieder an ihr Licht im Inneren. Und daran, dass sie einst davon getrĂ€umt hatte zu wachsen und zu strahlen. Sie wurde sich der vielen Schichten bewusst, die sie daran gehindert hatten, endlich richtig zu strahlen..und StĂŒck fĂŒr StĂŒck, Schicht um Schicht begann sie endlich, die HĂŒllen abzustreifen.Und nach vielen MĂŒhen und Anstrengungen…hatte sich das Licht befreit, hatte alle HĂŒllen fallen gelassen, und konnte endlich ungehindert strahlen. Und wuchs heran â in bedingungsloser Liebe zu sich selbst und mit dem Wunsch, sein Strahlen mit den anderen Kugeln zu teilen.Â
Ich weiĂ nicht, wie es euch geht, aber ich vermute mal, dass es viele kleine Lichter gibt, denen es so oder so Ă€hnlich ergangen ist… und ich bin sicher, dass es sehr viel heller wĂ€re auf der Welt, wenn sie sich an ihr Strahlen erinnern und die HĂŒllen abstreifen wĂŒrden. Ich mache jetzt das Gegenteil davon: ich verpasse mir eine regensichere HĂŒlle und mache mich bereit fĂŒr meinen Morgenkaffee im Garten. Ich wĂŒnsche euch einen schönen Tag und – falls erforderlich – einen guten Start in die erste Arbeitswoche des Jahres. Bis morgen â€ïž
© Kerstin Wider 2024-01-02