Heute haben wir den 5. Dezember 2021 und ich überlege mir gerade, ob ich Malte mit einem hässlichen Bild von einem Percht erschrecken soll. Unser Hausgenosse hat ja auch viele Überraschungen auf Lager, um unser Leben ziemlich durcheinander zu bringen, das wäre doch eine Idee. Ich erinnere mich an ein ganz besonderes Foto, das Helmuth vor zwei Jahren in der Grazer Innenstadt vom Perchtenlauf geschossen hat, da gab es wahrlich furchterregende Gesellen. Krampusse und gruselige Perchten aus den verschiedensten Regionen Österreichs zogen mit ohrenbetäubendem Gebrüll vom Amtshaus über die Stubenberggasse, dann weiter in die Herrengasse zum Hauptplatz und dieser wurde für zwei Stunden lang ein Hexenkessel der Hölle. Die Kuhglocken taten ein Übriges, sodass man sich als Zuschauer manchmal die Ohren zuhalten musste. Das war vielleicht ein Spektakel und ich versteckte mich manchmal ängstlich hinter meinem Mann. Ihm war es aber trotz dieses Höllentreibens gelungen, einige Fotos zu schießen. Gleich werde ich mich schlau machen und Helmuth dazu bringen, dass er mir diese Bilder heraussucht und in einen Ordner verschiebt. Dazu muss man wissen, dass mein Mann alle seine Fotos auf einer externen Festplatte speichert und nach Jahren und Themen geordnet hat.
Bei diesem Gedanken muss ich schmunzeln, denn unserem Malte würde es ganz gut tun, wenn man einen Schabernack mit ihm veranstaltet. Am Nachmittag schlief unser haariges Wesen noch immer tief und fest in der Wolke des Stores und so befestigte ich mit klitzkleinen Sicherheitsnadeln das ausgedruckte Foto von einem furchtbar hässlichen Percht. Ich musste jetzt nur noch warten und war schon sehr gespannt, wie er auf meine „höllische” Überraschung reagieren würde.
Am frühen Abend sahen wir von unserem Fenster aus, wie sich einige Krampusse aufmachten, um in den Hochhäusern die kleinen Kinder zu erschrecken. Aber auch Erwachsene fürchteten sich, wenn die Gesellen der Hölle mit ihren schweren Ketten an die Tür schlugen. Da hoffte ich immer, dass unsere Wohnungstür heil bleiben würde.
Durch dieses laute Kettenrasseln wurde auch unser Malte munter und dann sah ich, wie er erstarrt in seiner Storewolke aufrecht saß und keinen Mucks von sich gab. Irgendwie schien es mir, als ob der kleine Kerl die „Fras” bekommen hätte. In diesem Augenblick tat er mir so leid, ich streckte meine Hand aus und befreite ihn von seinem „Wolkensitzplatz” – und gerade, als er meine warmen Hände fühlte, schüttelte er seinen Kopf, die wilde Haarpracht stand zu Berge und dann saß der kleine „Angsthase” in meiner Hand und schaute mich mit seinen dunklen Äuglein panisch an. Ich beruhigte ihn mit sanfter Stimme und schon hatte sich unser Troll gefangen. Ich erklärte ihm, dass die Perchten mit den furchterregenden Masken den Winter austreiben und der Krampus zu den schlimmen Kindern kommt. Malte wusste genau, dass er oft viel Unfug anstellte, diesmal aber war es mir gelungen, ihn aus der Fassung zu bringen.
© Christine Büttner 2021-10-01