von Svenja Reithner
Früher konnte ich mir nicht vorstellen, einen Partner zu haben und diesen nicht zu lieben. Wie soll das gehen? Ich habe an all die Menschen gedacht, die verheiratet wurden und immer noch werden, ohne Gefühle füreinander zu haben. Hie und da schnappte ich auf “Liebe kann man lernen” oder “Über die Jahre haben wir gelernt, einander zu lieben”. Und ich fragte mich fortwährend, wie das sein könne, wenn da kein Funke zu Beginn, keine Passion war.
Wie kann Liebe entstehen, wenn es kein anfängliches Kribbeln, keine magnetische Anziehung gab?
Meinen Vergleich magst du vielleicht komisch finden. Für mich hat sich in den vergangenen zwei Jahren eine Antwort auf diese Frage ergeben, als mein Ex-Partner und ich uns aufmachten, einen Kumpel für mein Pferd zu finden.
Eines Tages stolperte ich im Internet über eine Anzeige und ich war kurz vor Weihnachten 2018 schockverliebt in ein kleines, weißes Einhorn, obwohl all die Bilder und die Beschreibung wenig vorteilhaft für die Vermittlung des kleinen Blue waren. Im selben Stall und eine Anzeige weiter, gab es noch seinen Kumpel Benjie, der so gar nicht in mein Beuteschema fiel. Trotzdem sagte ich mir insgeheim: falls das Einhorn schon vergeben ist, nehmen wir halt den. Er ist auch ein Tierschutzpony und dann tun wir etwas Gutes.
Benjie hat mich beim ersten Kennenlernen überhaupt nicht beachtet, er war wie durchsichtig und ich hatte nur Augen für den kleinen knopfaugigen Charmeboltzen Blue. Er vereinte alles in sich, was ich an einem Pferd mag. So kaufte ich ihn mit Schmetterlingen im Bauch und Herzen in den Augen. Mein Pferd Hrannar zog kurz danach zu den beiden irischen Bartträgern. Der am meisten davon profitierte war Benjie. Er kam langsam aus seiner Depression heraus. Bis zu unserem Umzug im darauffolgenden Mai fand sich niemand für den kleinen Schecken. Wir beschlossen, auch ihn mitzunehmen und ihm ein Zuhause zu geben. Ich übernahm ein körperlich entwicklungsverzögertes Pony mit kognitiven Schwierigkeiten und zahlreichen Baustellen. Noch dazu mit einem Charakter mit dem ich überhaupt nicht konnte. Wir gerieten oft aneinander und ich hatte immer wieder ein Nachsehen mit ihm, weil ich damals bereits wusste, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Ein Jahr hat es gedauert, bis wir wirkliche Freunde wurden.
Über die Monate wurde Benjie kräftiger und gesünder. Nach etwas mehr als einem Jahr stand für die Pferde und mich eine neuerliche Veränderung an: ein weiterer Umzug. Es ging zurück in meine Heimat. Von dem Tag an wurde Benjie immer stärker und im Jänner 2021 war er, zumindest von außen betrachtet, ein ganz normales Pferd, das mit den anderen spielte und fröhlich war. Bis zu dem Tag im November 2021 als seine Kräfte begannen, nachzulassen und es hieß, er sei mit 6 Jahren unheilbar krank und wir wissen nicht, wie viele Weihnachten er noch erleben wird.
Benjie hat mir gezeigt, was es heißt zu lieben, wo keine Liebe war. Liebe ist überall, du darfst dir erlauben, sie zu sehen.
Danke HHO Benjie(man) ❤️
© Svenja Reithner 2021-12-06