“Schläfst du noch? Wach doch endlich auf, es ist spät, hoffentlich ist es nicht zu spät.“
Manchmal erscheint mir mein Leben als Traum, als ob ich nicht wirklich gelebt hätte. Auch wie die Träume ist das Leben nicht immer schön, doch es gleitet einfach dahin, ohne mich mitzunehmen. Es hat den Anschein, als stünde ich am Ufer und schaute dem Schiff zu, winke den Passagieren, wenn sie dann Halt machen, laufe ich hinunter und betrete das Boot, ergreife die Hände der Mitreisenden, empfinde das Gefühl, zu ihnen zu gehören, doch sobald sich die Gelegenheit ergibt, verlasse ich wieder das Schiff und begebe mich an das sichere Ufer. Ich überlasse das Leben den anderen, genieße die Einsamkeit mit mir selbst, denke mir viele Geschichten aus, wie das Leben sein könnte, was es mir alles bieten würde. Doch um nicht auf hohe See zu geraten, in gefährliche Strudel einzutauchen, bleibe ich in meinem Kokon gefangen, der mich umhüllt, der mich vor allem, was mich gefährden könnte, schützt, den ich nur ablege, wenn ich aufhöre, zu träumen. Schon als Kind habe ich in meiner eigenen kleinen Welt gelebt, habe mir meine eigenen, schönen Geschichten ausgedacht. Mein größter Traum war es immer gewesen, eine Familie zu haben, in der ich das Leben verwirklichen konnte. Diesen Traum habe ich mir erfüllt. Das Leben war unter uns, wir waren ein Teil von ihm. Doch das Leben geht weiter. Ich möchte daran teilhaben, ich möchte auf den fahrenden Zug aufspringen. Es ist so wichtig zu erkennen, wie die einzelnen Momente sich zu einem großen Ganzen fügen. Versuchen wir doch, sie zu ergreifen, und uns aktiv mit dem Leben auseinanderzusetzen, uns eine eigene Meinung zu bilden, uns für Erneuerungen zu engagieren, uns bewusst für unsere Umwelt einzusetzen und unsere Zukunft und die der nächsten Generation zu sichern.
Versuchen wir aktiv mitzugestalten, was das Leben uns zu bieten hat. Versuchen wir das Leben zu spüren, ganz tief in uns das Pulsierende zu fühlen, um uns nicht einmal , wenn es vielleicht schon zu spät ist, fragen zu müssen: “Lebst du schon, oder träumst du noch?”
© Waltraud Wohlmuth 2022-06-10