Ein Leben ohne dich

Jellena Köppe

von Jellena Köppe

Story

Vor ihrem Tod hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich mal mein Leben ohne sie führen muss, zumindest nicht, bevor ich 25 oder 26 Jahre alt wäre. Auch nach ihrem Tod tue ich mich noch immer schwer damit – schwer damit, mich an diesen Gedanken zu gewöhnen, der mir jedes Mal die Kehle zuschnürt. Es fühlt sich alles so surreal an, als wäre das alles hier ein fieser Traum, aus dem ich nicht erwache. An manchen Tagen scheint alles so aussichtslos, als würde ich durch einen ganz langen, dunklen Tunnel laufen, wo ich nicht mal das Licht am Ende erkennen kann.

Ich laufe und laufe immer weiter, aber das Ende ist einfach nicht in Sicht. Aber ich weiß, dass es ein Ende geben muss, denn ich spüre doch diesen kalten Luftzug, welcher stellenweise immer stärker und stärker wird. Er droht mich mitzureißen und drängt mich immer weiter nach hinten. Plötzlich falle ich um und lande auf den harten, kalten Steinboden. Schmerz fährt durch meinen Körper und ich spüre, wie der kalte Luftzug nachlässt. Ich versuche aufzustehen, doch meine Beine sind viel zu schwach und ich breche zusammen. Zusammen gekrümmt, vollkommen verzweifelt und tränenbenetzt liege ich nun dort. An dieser Stelle würde Hope zu mir kommen, mir ihre Nase ins Gesicht stecken und mir aufhelfen. Gemeinsam würden wir den langen, dunklen Tunnel bestreiten und am Ende die warmen Sonnenstrahlen einfangen. Aber dieses Mal muss ich es allein schaffen. Allein durch diesen endlosen, dunklen Tunnel, welcher jedes Mal droht, mich zu erdrücken. Immer wenn ich denke, ich könnte es schaffen, kommt diese Welle der kalten Luft, die mich letztendlich zu Fall bringt. Ich bin ehrlich, es gibt Tage, da weiß ich nicht, wie ich ein Leben ohne meine kleine Fellnase führen soll. Sie war doch mein Halt. Sie war die, die mir zeigte, dass ich alles schaffen kann. Wie soll ich es aber schaffen, wenn sie nicht mehr bei mir ist und gemeinsam mit mir den langen, dunklen Tunnel bestreiten kann? Aber irgendwie muss ich es doch schaffen, oder?

Manchmal fühlt es sich noch an, als wäre sie bei mir, in meiner Nähe. Als würde sie wie immer auf meinem Bett liegen und schlafen. Ab und zu, wenn ich abends am PC sitze, höre ich plötzlich ein Geräusch hinter mir, als würde sie auf meinem Bett liegen und ihre Liegeposition ändern. Ich drehe mich sofort in die Richtung meines Bettes, nur um dann enttäuscht auf mein leeres Bett zu starren. Auf die Stelle, wo sie normalerweise liegen würde. Schnell wird mir bewusst, dass ich ja ein Leben ohne sie führen muss, dass sie bereits vor Monaten verstorben ist. Ich sehe lediglich das Kuscheltier, welches mir meine Mutter unter anderem zu Weihnachten geschenkt hat. Es ist eine Schildkröte und auch wenn ich 19 Jahre alt bin, gibt sie mir irgendwie halt. Denn wenn ich wieder einmal traurig bin, drücke ich sie fest an mich, so wie ich Hope immer an mich gedrückt habe.


© Jellena Köppe 2023-01-15

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