Ein MĂ€nnertraum

Story

Als ich 1979 meinen Mann kennenlernte, hatte ein elf Jahre altes Auto. Was auf den ersten Blick wirklich nicht beeindruckend klingt, stellte sich im Laufe der Jahre als etwas Besonderes heraus, handelt es sich bei dem GefÀhrt doch um eine der Ikonen der amerikanischen Automobilindustrie, nÀmlich um einen Ford Mustang, Baujahr 1968, dessen legendÀrer Ruf sich durch die Jahrzehnte hartnÀckig hielt. Noch immer sieht man alte Mustangs in neuen Filmen, und das weit hÀufiger als es ihrem Vorkommen im realen Leben entspricht.

1969 ging mein Mann nach Abschluss seines Doktorates fĂŒr drei Jahre in die USA. Um 2000 Dollar kaufte er einen leicht gebrauchten Mustang in sehr hellem GrĂŒn, und als er dann wieder zurĂŒckkehrte, wollte er sich von dem ihm inzwischen lieb gewordenen Auto nicht trennen. So wurde der Mustang in New York eingeschifft, einige Wochen spĂ€ter holte er den Wagen in Bremerhaven ab und fuhr ihn nach Wien. Erst als unser Sohn 2003 den FĂŒhrerschein machte, kam ein Zweitauto in die Familie. Bis dahin fuhren wir mit dem Mustang sogar zum Schifahren.

FrĂŒher war unser Mustang eben ein Ă€lteres GefĂ€hrt, sicher ausgefallen, weil es sich um einen “Amerikaner” handelt, mit Automatikschaltung zu einer Zeit, als das hier noch selten war. Aber im Laufe der Jahre erregte man damit immer mehr Aufmerksamkeit, nicht nur durch das MotorengerĂ€usch der acht Zylinder. Auf der Autobahn winken einem Leute zu und fotografieren den Mustang. Andere erzĂ€hlen, dass sie selbst einmal einen hatten oder dass es ihr absolutes Traumauto sei. Man bekommt laufend Kaufangebote, mehr oder weniger ernst gemeint.

Und stÀndig wird man um technische Details gefragt, wie alt das Auto genau sei, wie man dazu gekommen sei und auch oft, wie viel Benzin es verbrauche. Mein Mann sagt dann immer, es verbrauche 50 Euro im Jahr, und das stimmt inzwischen auch, denn er fÀhrt nur noch sehr wenig damit und auch nur bei absolut sicherem Schönwetter.

Dank seiner PrĂ€senz in vielen Filmen genießt der Mustang immer noch ein wenig das Image eines Playboy- oder Aufreißer-Autos. Das erfuhr ich auch einmal, als ich, wĂ€hrend mein Mann an einer Laufveranstaltung teilnahm, mit unserem damals noch kleinen Sohn etwas aus dem Auto holen wollte. Als wir nĂ€her kamen, standen einige Leute um den Mustang herum und ich hörte einen Mann in verĂ€chtlichem Tonfall sagen: “Ach, das ist doch nur so ein richtiger Junggesellenschlitten!” Der andere sagte: „Da ist aber ein Kindersitz drinnen.“ Und wie zum Beweis kam ich und zĂŒckte den SchlĂŒssel, an der Hand einen DreijĂ€hrigen.

Im Laufe der Zeit wurden die Reparaturen natĂŒrlich immer mehr, und derzeit befindet sich der Wagen bei seiner zweiten Totalsanierung, aber er ist wie ein altes Familienmitglied, das eben schon besondere Pflege braucht. Wir wĂŒrden ihn niemals weggeben.

Und sollten Sie einen inzwischen mittelblauen Mustang mit schwarzem Hardtop und noch einem alten schwarzen Wiener Kennzeichen sehen und hören, so sitzt sicher mein Mann drinnen.

© 2022-07-09