Ein missglückter Haarschnitt

Manuela Haselberger

von Manuela Haselberger

Story

Diese Geschichte handelt von einer massiven Veränderung in meinem Leben, von Eifersucht, Langeweile und dem missglückten Versuch, mir selbst die Haare zu schneiden.

Es ereignete sich im Juli 1987, kurz nach der Geburt meiner Schwester. Ich war zu dem Zeitpunkt viereinhalb Jahre alt und war von da an nicht mehr das Nesthäkchen der Familie. Ich muss gestehen, dass ich es gewohnt war, als Nachzüglerin im Mittelpunkt zu stehen. Meine beiden Brüder waren bei meiner Geburt bereits 13 und 14 Jahre alt und ich war immer „die Kleine“.

Anfangs verspürte ich enorme Freude, so ein Baby ist ja auch wirklich süß. Dieses anfängliche Glücksgefühl mündete aber irgendwann in Langeweile, wohl auch gepaart mit Eifersucht.

Alles drehte sich ums Baby. Das Baby gehörte gewaschen, das Baby gehörte gefüttert. Dann musste ich leise sein, weil das Baby schlafen wollte. Wenn Besuch kam, dann wollten alle das Baby anschauen, ich war nicht sehr interessant. Ich war halt auch da. Und mir war oft fad. Um für die anderen wieder ein bisschen interessanter zu werden, kehrte mein Schnuller in meinen Mund zurück. Ich merkte aber relativ schnell, dass ich damit auch nicht interessanter wurde, sondern eher zum Clown mutierte. Den Versuch, selbst wieder zum Baby zu werden, brach ich ab. Beweisfotos davon gibt es leider genug.

Ich freute mich riesig, als sich der Cousin meines Papas mit seiner Frau als Besuch ankündigte. Die beiden mochte ich schon immer sehr und mit ihnen war es immer lustig. Es gab für mich nur ein Problem: Meine Frisur. Ich stellte fest, dass zumindest meine Stirnfransen geschnitten gehörten. Für einen Friseurbesuch hatten wir aus meiner Sicht keine Zeit, weil das Baby gehörte gefüttert, das Baby gehörte gewickelt, das Baby gehörte gebadet.

Mutig war ich schon immer und darum beschloss ich, mir selbst die Haare zu schneiden. Ich wartete einen ruhigen Moment ab, in dem ich wirklich ungestört war. Ich weiß noch genau, wie ich im Bad stand und ich so richtig schief meine Stirnfransen schnitt. Und wie ich nochmals nachschnitt. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es noch einen dritten Versuch. Das Resultat: Ein missglückter Haarschnitt. Ein richtig kurzer, komplett schiefer Pony.

Zum Glück besaß ich eine Haube. Diese hatte ich auf, als der lang ersehnte Besuch endlich da war. Diese Haube hatte ich den restlichen Sommer lang auf. Meine Haare wuchsen zum Glück schnell nach und an meinem 5. Geburtstag hatte ich wieder eine ansehnliche Frisur.

© Manuela Haselberger 2020-04-06