von Jami Mzee
Ich denke nicht, dass ich heute etwas falsch gemacht habe. Genau. Ich glaube, heute gibt es keinen Grund, weshalb er sauer auf mich sein könnte. Heute müsste ein guter Tag werden. Oder? Warum habe ich dann solche Angst? Beruhig dich, denk nach, was ist gestern passiert? Ich war draußen, wie sonst auch. Meine Freunde wollten zu mir kommen und mit Make-up spielen, doch da ich einen weiteren Fehler vermeiden wollte, habe ich abgelehnt. Okay, Zimmer aufgeräumt, Geschirr auf Seite gestellt, Schuhe ordentlich hinterlassen. Alles gut, alles sauber, alles ordentlich. Warum habe ich dann solche Angst? Was habe ich vergessen?
Egal, alles gut, es wird Zeit meine Schulsachen einzupacken und mich auf den Weg nach Hause zu machen, die anderen sind schon längst bei dem Gong, aus dem Raum gestürmt. Ich hab’s jedoch nicht so eilig, darf aber auch nicht zu spät sein, ein weiterer Fehler. Bloß nichts zurücklassen, englisch Buch? Check! Mathe? Ich wünschte nicht, aber Check! Mäppchen- SCHEIßE DIE ZAHNPASTA. Verdammt, verdammt, scheiße! Ich kann mich nicht erinnern, ich habe keine Ahnung mehr, mein Kopf ist leer. Gehirn, lass mich jetzt bloß nicht im Stich, erinner dich, du Dummkopf, erinner dich!Egal, es ist zu spät, ich kann es nicht mehr ändern, er sitzt wahrscheinlich schon längst auf dem Sofa und wartet auf mich, Handtuch bereit, Hände aufgewärmt.
Bitte frag mich! Bitte! Irgendeiner muss doch heute mit mir spielen wollen, mich zu sich einladen wollen, oder? Keiner. Vielleicht hätte ich mich heute auch beeilen sollen? Nein, ich warte lieber. Es ist eh schon zu spät, warten ist gut, gibt ihm genug Zeit, um sich zu beruhigen. Ich habe das Gefühl, meine Beine sinken, oder eher Hoffnung, dass Gravitation mich, wie alles andere, vollkommen im Stich lässt und mich nach unten drückt, jedes Körperteil zerquetscht und der Boden mich genüsslich verspeist. Aber als ob mir das Universum den Gefallen tun würde. Die Stufen sehen heute schlimmer aus als sonst, viel zu kurz. Mit jedem Schritt erlange ich ein Stück Hoffnung, dass er nicht da ist und mit dem nächsten, dass ich Stolper und mir jeden Knochen zum funktionsfähigen Leben breche. Doch wie gesagt, das Universum würde mir nie diesen Gefallen tun.
Vielleicht ist er ja wirklich nicht zu Hause. Es ist fast 17Uhr, um diese Zeit ist er meistens schon bei seinen Freunden. Ich steck den Schlüssel ein, eine Drehung und- scheiße, keine Zweite. Habe ich noch Hoffnung zu entkommen? Er hat den Schlüssel bestimmt schon gehört. Ich öffne die Tür, tief einatmen und los geht’s. Ich höre den Fernseher, Game Over, er ist zu 100% da. Wenn mich der Schlüssel nicht verraten hätte, dann bestimmt mein Herz. Alles fühlt sich so schwer an, die Luft ist dick, das Licht zu grell und der Fernseher zu laut, aber nicht laut genug- Er wartet. Ich leg meine Tasche im Zimmer ab, bereite mich vor, versuche nicht zu laut zu atmen und bewege mich auf den heutigen Fehler hinzu.
© Jami Mzee 2022-05-04