Ein Regenwurm neben einer Glasscherbe

Elisabeth-Christine Kayser

von Elisabeth-Christine Kayser

Story

Da schreibe ich gleich eine Kurzgeschichte! Schreibe meistens sofort gerne Alltagsgeschichten. Vergaß es nur. In Eile, wie immer, wollte ich nur schnell einige Lebensmittel einkaufen. Vorher nahm ich die sauber gewaschenen Gläser und eine leere Piccolo-Sekt-Flasche mit, um sie zu auf dem Weg zum Supermarkt zu entsorgen. Die drei Glascontainer standen am Weg dorthin. Besser gesagt, ein kleiner Umweg war es schon. Laufen ist gesund. Mein Ziel war schnell erreicht. Ich stutzte plötzlich. Genau vor meinen Schuhen, lag ein dicker und besonders großer Regenwurm auf dem Asphalt, direkt neben einer scharfen Glasscherbe. Er zappelte und wusste nicht wohin. Ohne lange zu überlegen, nahm ich ihn auf. »Wo willst DU DENN HIN?« Natürlich antwortete er mir nicht. Er konnte nirgendwo hin! Asphalt, Asphalt und der Regen hatte ihn von irgendwo weg geschwemmt. Sanft trug ich ihn von der Straße und legte ihn auf lockeres Erdreich von einem mit Buschwerk bepflanzten Rand seitlich von der Straße. Hier war er geschützt. Wieder war ein Tier gerettet. Erfreut konnte ich nun meinen Einkauf erledigen. Taschentücher habe ich stets dabei, falls doch mal vergessen, wische ich meine Finger am Hosenbein ab. Regenwürmer sind sauber. Seltsame Gedanken: Tauschen wollte ich mit ihm nicht, ohne Augen, Nase und Ohren. Bin froh, kein Regenwurm zu sein! Hebe immer mal welche auf und trage sie weg. Auch aus Pfützen. Manche, die mich sehen, werden sich über die Verrückte, wundern. Zurzeit sehe ich viele Feuerwanzen herumkrabbeln. Bemerke, dass sie gute Ohren haben. Wenn sie mich eiligen Schrittes kommen hören, versuchen sie sich beiseite zu retten. Gebe mir Mühe und weiche aus, indem ich im Zickzack laufe. Passe auf, dass ich nicht wieder hinfalle. Gehwegplatten liegen seit 40 Jahren und sind derartig gefährlich verschoben, dass schon einige Bewohner gestürzt sind. Die Stadt hat kein Geld, um sie zu erneuern, geschweige ihrer Ordnungspflicht nachzukommen. So geschehen erst neulich. Bin ich gefallen, schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit. Es muss komisch aussehen, wenn jemand meines Alters plötzlich zu Boden geht und nicht sofort wieder aufsteht. Eine Frau wollte mir aufhelfen, doch ich dankte und meinte, dass ich es schaffe, es nur etwas länger dauert. Ich wollte nicht, dass sie sich verzerrt. Als mein Mann einst über eine hochstehende Platte stürzte, musste sogar der Rettungsdienst gerufen werden. Er war ganz schlimm auf den Kopf gestürzt. Dicke Beule an der Stirn, blutunterlaufenes Auge, sein Gesicht entstellt. Er wurde mitgenommen, geröntgt und lange untersucht, musste zur Überwachung im Krankenhaus bleiben. Verdacht auf Hirnblutung. Es hatte sich zum Glück nicht bestätigt. Allerdings wurde er nach diesem Unfall sehr merkwürdig. Folgeschäden waren eingetreten. Nach und nach gingen sie zurück. Erleichterung folgte. Mittlerweile haben wir viel Gutes erfahren. Die Pechsträhnen haben ein Ende gefunden, was uns wirklich sehr freut.

© Elisabeth-Christine Kayser 2022-09-02

Hashtags