Ein roter Tag – Teil 1

Sterner

von Sterner

Story

Ich wollte es doch so gerne besser machen. Wenigstens zwei Kinder die eine schöne Kindheit haben dürfen. Ich bin völlig verzweifelt. Die Tränen laufen mir übers Gesicht während ich mit meinem Hund die Abendrunde drehe. Leute, Nachbarn, kommen mir entgegen. Ein freundliches „Hallo“. Zum Glück regnet es und die Straßenlaterne aus den 1960er Jahren verströmt mehr Dunkelheit als Licht. So können sie meine Tränen und verweintes Gesicht nicht sehen. Was zum Teufel machen wir, ich, nur falsch? Seit Wochen geht das nun schon so. Heute war wieder ein roter Tag. Grüne Tage laufen fast reibungslos ab, wie in einer „normalen Familie“, gelbe Tage sind anstrengend, jedoch mit viel Geduld und harter Arbeit händelbar. Die Roten aber, ja die sind einfach nur furchtbar. Sind kaum zu ertragen. Gehen einem an die eigene Substanz. Die Musik auf meinem Kopfhörer kann die Schreie in meinem Kopf kaum übertönen. Immer noch höre ich sie:“ Auuuaaaa, auuuaaa, Papa du hast mir wehgetan!!“ Leon schrie so laut, dass man es in der ganzen Siedlung hören konnte. Selbst seine Pflegeschwester Diana hielt es nicht mehr aus und stürzte in die Küche: “Was schreit denn der Idiot schon wieder so! Was sollen denn die Nachbarn denken. Irgendwann kommt mal die Polizei wegen dem!“ „Ich weiß.“ antworte ich kraftlos. „Darf ich noch raus, ich halte diese Schreierei nicht aus.“ „Ja, klar mein Schatz.“ Mein Mann kommt aus dem Bad und schaut mich ungläubig an. „Ich hab ihm doch gar nichts getan!“ völlig ratlos lässt er sich auf den Küchenstuhl fallen. „Ich hab doch nur seine Hand von der Türklinke genommen, damit ich endlich diese blöde Tür schließen kann.“ Er schnauft einmal tief durch: “Ich war nicht grob!“ „Ich weiß“ lange schauen wir uns ratlos an. Derweil schreit er immer noch weiter. Die Melodie hat sich verändert. Vom lauten empörenden Schreien in ein Sirenengeheul. So nenne ich es immer, weil es sich wirklich so anhört. Ein langes Aufziehen:“ iiiiiiii…..“ und dann das abfallende:“öööööööööö..“ Jetzt zu ihm zu gehen und ihn zu trösten, wird das Ganze noch für mindestens eine halbe Stunde verlängern. Also warten wir bis es sich in ein:“eeeeeee..“ verändert. Mein Mann schüttelt immer noch leicht seinen Kopf, ist fassungslos. „Ich hatte so gehofft, dass das mit der Medizin weiter so gut hilft. Aber so wie es ausschaut, sind wir wieder da wo wir vor einem Jahr waren.“ „Ich weiß“ momentan kann ich nicht mehr von mir geben. Nach etwa zehn Minuten kündigt sich das „eeeee“ an. Mit einem Taschentuch trockne ich mein Gesicht, schnaufe einmal kräftig durch und gehe in Leons Zimmer. Erst mal nehme ich ihn in den Arm. Lange kuschelt er sich an mich und langsam beruhigt er sich. Sein Atem wird ruhig und gleichmäßig. Anschauen kann er mich noch nicht. Leise frag ich ihn, warum er so geschrien hat. „Da schau“ er zeigt mir sein Handgelenk,“ da hat mir der Papa weh getan, ich bin ganz rot!“ empört sieht er mich an.

© Sterner 2019-08-30

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