von Leo-Schreibt
Wir waren jung, zu jener Zeit und das Leben war ein Abenteuer. Unverwundbar und unsterblich, so stürzten wir uns hinein, genossen die Tage und eroberten die Nächte. Solang her, die Zeit, sie kommt nicht mehr zurück. Was bleibt, sind die Erinnerungen. Und die Sehnsucht nach der Leichtigkeit des Seins.
Es war in dem Jahr, in dem sich unsere Wege trennen sollten. Wir Jungs mussten zum Bund, die Mädels begannen ihre Ausbildungen. Doch bevor wir auseinander gingen, wollten wir noch einmal losziehen. Wir brauchten nicht viel. Zelte und Schlafsäcke ins Auto verfrachtet und ausgelost, wer den „Blechsarg“ fahren musste. Ab auf die Motorräder und nach Holland.
Sommer, jeden Tag Sonne und blauer Himmel, kurze Nächte in den Zelten. Wir hatten Spaß, waren uns selbst genug. Erzählten Geschichten, quatschten und tranken dosenweise billiges Bier. Morgens gab es Brötchen aus dem kleinen Laden am Eingang zum Camping-Platz, abends wurde gegrillt. Zu viel Bier und zu viel Sonne verleitete zu Unfug. Beim Versuch, über die Wiese zu brettern, hätte Bernie fast seine Maschine in einer der zahlreichen Wassergräben versenkt. Und Kalle wurde von einer Kuh angepinkelt, als er ihr unbedingt am Schwanz ziehen musste. Solcher Unfug halt.
Am letzten Abend enterten wir die Dorfkneipe und der Genever machte die Runde. Dann sah ich sie. Ich schätzte, sie war nicht viel älter als ich. Sie stand am Flipper in der Ecke und beobachtete uns, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. Rothaarig und sommersprossig in kurzen Jeans und es war um mich geschehen. Ich nahm mein Herz in beide Hände und schlenderte wie beiläufig zum Flipper. Äußerlich bemühte ich mich um vollendete Coolness, innen pochte mein Herz wie wild. Ich lud sie auf eine Runde ein und sie sagte nicht nein. Was soll ich sagen? Natürlich hatte ich mehr Augen für sie, als für die silberne Kugel im blinkenden und lärmenden Automaten. Sie gewann und ich lud sie ein an unseren lauten Tisch. Die Clique warf sich vielsagende Blicke zu und die Jungs frotzelten. Doch das war mir sowas von egal. Sie saß neben mir und nur das zählte.
Später gingen wir vor die Tür in die laue Sommernacht. Sie nahm meine Hand. „Komm mit.“ Ich schwebte auf Wolke sieben. Wir schlenderten Hand in Hand durch die Nacht, über uns der Sternenhimmel und Seite an Seite unsere klopfenden Herzen. Wir hatten nur diese eine Nacht und wir wussten es, noch bevor der erste Kuss auf meinen Lippen brannte.
Die Sonne sandte einen ersten Gruß über den Horizont, als ich sie zurück zum Wohnwagen ihrer Eltern begleitete, die zum Glück noch schliefen. Ein letzter Kuss, ein letzter Seufzer.
Schweren Herzens packte ich später mit den anderen zusammen. Als wir mit unseren Bikes durch die Ausfahrt des Platzes donnerten und auf die Landstraße einbogen, stand sie an der Ecke des Ladens. Sie winkte mir zu und ihr rotes Haar wehte im Wind. Meine Augen blieben an ihr im Rückspiegel kleben, bis ihre Gestalt immer kleiner wurde und verschwand.
Wir haben uns nie wieder gesehen.
© Leo-Schreibt 2021-04-11