Ein Sonnenplatz auf dem Hühnerhof

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

von Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story

Sie sind nicht gerade meine Lieblingstiere, die Hühner. Trotzdem begebe ich mich oft auf den Hühnerhof in die Gesellschaft der 50 Hühner meines Mannes. Natürlich sind auch viele Hähne dabei. Zu viele. Im letzten Jahr haben besonders viele Hennen gebrütet. Leider sind unter dem Nachwuchs auch viele Hähne. Sie bekämpfen einander, vergewaltigen die Hennen. Ihr Sexualtrieb mit dem Bedürfnis, ihre Gene weiterzugeben, scheint unbändig zu sein. Da muss von Menschenhand eingegriffen werden. Heute ist es wieder so weit: Ein Hahn wird geschlachtet. Mein Mann, der auf einem Bauernhof in Oberösterreich aufgewachsen ist, erledigt das. Ich halte mich davon fern. Mit dem Töten der Hähne konnte und kann ich mich nicht abfinden. Einmal ließ ich mich dazu überreden, meinem Mann bei dieser mörderischen Aktion behilflich zu sein. Zitternd hielt ich dem Hahn die Füße. Nein, mehr will ich nicht darüber schreiben. Einzelheiten möchte ich der/dem Lesenden ersparen. Zurück zum Hühnerhof, über den ich eigentlich schreiben wollte. Wir haben uns dort eine Sommerküche eingerichtet. Es gibt einen Lehmofen, von meinem Mann gemacht. Dann noch einen Esstisch, alt und erinnerungsschwer. Er stammt aus der Küche des Hauses, in dem ich aufgewachsen bin. An diesem Tisch wurde gegessen, geredet, gestritten, geweint, Hausübungen gemacht. Ein Tisch mit Geschichte. Ein Tisch mit Vergangenheit. In der Nähe dieses immer noch sehr stabilen, scheinbar unverwüstlichen Tisches befindet sich die Futterstelle der Hühner. Zwei bequeme Plastiksessel dienen als Sitzgelegenheiten. Der Platz zwischen einem riesigen alten Nussbaum und einem riesigen Maulbeerbaum ist wunderschön. Die Sonne scheint mir ins Gesicht, wenn ich dort sitze und Brot und Semmeln für eine Hühnermahlzeit schneide. Um mich herum die Hühnerschar in ihrer ansteckenden Lebensfreude. Das Lebendige um mich herum ist schön. Der blaue Himmel ist schön. Die Sonne ist schön. Ist das Leben doch schön, auch wenn Leben und Tod so nah beieinander liegen? Ich fülle die Futterschüssel mit geschnittenem Gebäck, gieße heißes Wasser darüber, vermische es mit Butter, Schmalz oder Öl, gebe Sonnenblumenkerne oder Weizen dazu. Und schon drängen sie sich um den Topf herum, begierig, an die Nahrungsquelle zu kommen. Ich schaue ihnen dabei zu, während mir die Sonne ins Gesicht scheint und ich Lebensenergie spüre. Manchmal trinke ich alkoholfreies Bier oder einen Radler. Zwischendurch stehe ich auf, um Ordnung zu machen oder zu putzen. Hühnermist einsammeln und mit Kübeln auf den Misthaufen bringen. Einige Hühner begleiten mich gackernd, in der Hoffnung auf noch besseres Futter. Mein Bewegungsprogramm. Ich sehe viel Arbeit auf dem Hühnerhof. Gefühlsmäßig eine Mischung aus Erholung, angenehmer Betätigung und Überforderung, wenn nicht mehr ich Herrin über die Arbeit bin, sondern die Arbeit das Kommando übernimmt und mein Tun bestimmt. Dann wird es Zeit, innezuhalten und den Hühnerhof zu verlassen.

© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2021-03-07

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