Ein Streit mit Folgen

Anna Uano

von Anna Uano

Story

Der Streit mit Leni tauchte immer wieder vor meinem inneren Auge auf. Seit Wochen plante sie die Eröffnung ihres eigenen Cafés und ich wollte sie so gut wie möglich dabei unterstützen. Ich hatte ihr effektive Listen und Pläne erstellt, wie sie am besten Kosten einsparen und den Raum gestalten konnte. Abend für Abend hatte ich mir Gedanken gemacht und Stunden für sie geopfert. Und heute, hatte sie mich das erste Mal in die Räumlichkeit gebeten. Es war noch kaum etwas umgesetzt worden. Ich hatte es mir verbissen, das anzusprechen, denn ich ahnte, dass ihr meine Meinung dazu nicht gefallen würde. Und immerhin war sie meine beste Freundin. Mein Herz wurde schwer, als ich daran dachte, was dann passiert war. Ich sah es so deutlich vor mir wie einen Film. Leni stand vor der halb fertig gestrichenen Wand, vor ihr auf dem Boden lagen verschiedene Begriffe in unterschiedlichen Schriftzügen. „Emma, ich habe so viele verschiedene Namensideen für das Café und kann mich einfach nicht entscheiden. Welcher Name gefällt dir denn am besten?“, wollte sie von mir wissen. Ich trat näher und begann zu lesen. Dabei fiel mir auf, dass sie keinen meiner Vorschläge hatte ausdrucken lassen. Ich spürte ein dumpfes Grummeln in meiner Magengegend. Wieso nur wollte sie meinen Rat, wenn ihr keiner meiner Vorschläge gefallen hatte? „Du willst meine Meinung doch gar nicht hören“, schossen die Worte schneller aus meinem Mund, als ich nachdenken konnte. Leni sah mich erschrocken an, mit ihren braunen Augen, die unruhig flackerten. „Nein Emma, so ist es doch überhaupt nicht…“, setzte sie zu einer Erklärung an. Doch es war eindeutig. Keiner meiner Vorschläge wurde hier umgesetzt. Zorn flammte in mir auf. Ich hatte absolut kein Problem damit, wenn sie mir sagte, dass ihr meine Ideen nicht gefielen. Ablehnung konnte ich gut verkraften und Ehrlichkeit sowieso. „Warum hast du mich denn überhaupt gefragt? Es ist für mich auch total okay, wenn du deine eigenen Vorstellungen umsetzt“, wollte ich von ihr wissen.  Als Leni in diesem Moment zu einer Antwort ansetzte, wusste ich schon, wie sie ausfallen würde. Da stand wieder die Diplomatin in Person vor mir. „Ich möchte, dass sich alle gehört fühlen Emma. Und mir ist deine Meinung auch wichtig! Es ist nur so, dass beinahe jeder etwas beisteuern will“, versuchte sie mich zu beschwichtigen. „Jeder?“, hakte ich stirnrunzelnd nach. Schließlich waren wir nur zu zweit hier. Lenis Wangen überzog eine feine Röte. „Die anderen Mädels waren letzte Woche schon mal hier und gemeinsam haben wir uns auf diese Auswahl geeinigt.“ Fassungslos starrte ich sie an und hoffte, dass ihre Worte sie genauso sehr trafen wie mich. Ein Abgrund schien sich unter meinen Füßen aufzutun. Es tat weh. So richtig. „Gut“, presste ich hervor, „dann bin ich ja wohl überflüssig.“ Mit einem eisigen Blick starrte ich sie an. Das sollte meine beste Freundin sein? Ihr Blick wurde mitfühlend und sie trat einen Schritt auf mich zu. „Es ist nicht so wie du denkst, mir ist deine Meinung wirklich wichtig, glaube mir!“ Wie zu Bestätigung legte sie eine Hand an ihr Herz, doch ich sah nur noch rot. „Mann Leni, sag doch einmal die Wahrheit!“, knurrte ich sie an. Genau in diesem Moment kochte alles in mir über. Ich wollte nicht beschwichtigt werden, denn ich war hier nicht das Problem. Ich wollte einfach nur, dass sie ehrlich war. Aber das würde ich von ihr wohl nie erwarten können. Abrupt hatte ich mich umgewandt und war mit schnellen Schritten zur Tür hinausmarschiert.

© Anna Uano 2024-12-06

Genres
Romane & Erzählungen