Ein Stück freier Himmel

„Bis zu 15.000 Sternschnuppen sind angekündigt“, höre ich den Fernseher im Hintergrund. Mein Herz macht sofort drei Sprünge hintereinander. Heute soll es Sternschnuppen regnen und ich bin davon überzeugt, dass mein Serotoninspiegel nicht höher steigen könnte. Gerade heute ist mein erstes Date mit ihm. Wir hatten vereinbart, dass er mich abholt und wir uns in den Park setzen. Wir kennen uns schon länger, haben es aber noch nie miteinander versucht. Als wir dann letztens auf einer Party nur miteinander geflirtet haben, wurde mir klar, dass da mehr als Freundschaft ist. „Gott, bitte datet euch endlich. Diese Spannung zwischen euch ist ja nicht auszuhalten“, hatte Maria uns verhöhnt. Wir waren es uns schuldig herauszufinden, ob da mehr war. Völlig egal, was der Abend bringen sollte, ich habe so viel Liebe für diesen Menschen. Ich möchte ihn gewinnen sehen, ob mit oder ohne mich. Ich denke, daher rührt auch mein Mangel an Aufregung. Es ist okay, egal wie es laufen wird. Mit diesem Gedanken ziehe ich mir eine bequeme Hose und einen Hoodie an und warte auf ihn. Nicht einmal zehn Minuten dauerte es, da hupte er draußen und winkte mich in sein Auto. Ich stieg ein und lächelte ihn an. Mein Körper nahm sofort seine Nervosität wahr. Fühlen wir uns beide gezwungen? Er sah mich mit seinen großen braunen Augen an und sorgte sofort dafür, dass sich ein Kribbeln in meinem Bauch entwickelte. Doch je länger wir fuhren und je länger wir schwiegen, desto größer wurden meine Zweifel. Ein kurzes peinliches Lächeln zur Begrüßung, seitdem Stille. Die Leichtigkeit, die unsere Freundschaft jahrelang geprägt hatte – verschwunden. Wir stellten das Auto ab und liefen in Richtung Park. „Oh Mann“, brach er die Stille. „Es ist sehr bewölkt, wir werden keine Sternschnuppen sehen“, sagte er enttäuscht. Ich sah in den Himmel und musste ihm zu unser beider Bedauern zustimmen. Wir setzten uns auf eine Bank und führten oberflächliche Gespräche. Ich glaube, das war ein riesiger Fehler. „Ich muss mit dir reden“, sagte er plötzlich. Meine Hände begannen sofort zu Schwitzen und mir war klar, was er gleich sagen würde. „Diese ganze Date-Sache heute, irgendwie ging das jetzt alles sehr schnell und …“. Er schwieg wieder. Gott verdammt, sag es doch endlich. Es war ein Fehler. Sag es. „Ja?“, versuchte ich ihn aus der Reserve zu locken. Ich wurde immer nervöser, weil ich wusste, mir stand eine Enttäuschung bevor. „Sag einfach, was du mir -“ „Ich liebe dich“, unterbrach er mich sofort. Ich sah ihn an und mir stiegen sofort Tränen in die Augen. „Ich habe dich schon immer geliebt“, sprach er weiter, wie ein Engel. „Ich wusste einfach, wenn ich das Risiko eingehen würde unsere Freundschaft auf die nächste Stufe zu stellen, würde ich alles ruinieren. Ich bin so ein Feigling, dass ich nie etwas gesagt habe. Und dann ist das alles nur durch eine peinliche Situation an dieser Party entstanden. Ich weiß, das hat dich vermutlich sehr unter Druck gesetzt. Das wollte ich nie. Ich war schon immer in dich verliebt und ich …“ Ich ließ ihn nicht zu Ende sprechen und presste meine Lippen auf ihn. Der Kuss war lang und intim. Ich schloss die Augen und ließ den Stein von meinem Herzen rollen, der dort Jahre lang platziert war. „Ich liebe dich auch“, erwiderte ich als wir uns in die Augen sahen. Er grinste. Und genau in diesem Moment sah ich in den Himmel. Ein einziges Stück freier Himmel war zu sehen. Und die Sternschnuppe, die für uns bestimmt war, schoss im perfekten Moment vorbei.