von Isi Dora
Der Aufwand eines kurzen Besuches bei meinem schwerkranken Vater steigt aufgrund seines weiteren Aufenthaltes in Graz. Immerhin konnten meine Schwester und ich unserer selbst kranken Mutter wieder einen kurzen Besuch bei ihm ermöglichen, indem wir uns das Holen und Bringen teilten.
Leider ist die Resignation auf beiden Seiten spürbar. Ob aufgrund von Corona oder sowieso. Meine Mama sinkt schon bei ihm immer mehr in sich zusammen, der sehr enge dichte MNS erschwert das Atmen. Verursacht bei mir Übelkeit. Die 2-m-Abstand-Regel empfinde ich immer mehr als unmenschlich. Nur zwei wöchentliche Besuche von einer Dauer von 20 Minuten, die nach 25 Minuten ermahnt wurden… keine Möglichkeit, den Schwerkranken mit in den Park zu nehmen. Das sind die bisher strengsten Besucherregeln. Ich hoffe, die Dauer des Aufenthaltes ist in Kürze um und es ist dann wieder leichter für meine Mama ihn zu sehen.
Er wirkt schwächer als früher, vielleicht aufgrund der Chemo, die er aber sonst gut vertragen hat? Die Therapieeinheiten kosten ihn jedenfalls nicht nur körperliche Kraft. Er fühlt sich im Stich gelassen, vergessen, hilflos. Er spürt, dass er Monate brauchen würde, um wieder zu Kräften zu kommen.
Ich bringe ihm wieder Schnitten und Waffeln mit, die er sich vor meinem letzten Besuch telefonisch gewünscht hatte. Auch Naschzeug für die Station habe ich gleich beim Ankommen der Schwester übergeben. Er schaut irgendwann seine Sachen hektisch an und fragt, ob da Schokolade dabei ist. Ich erkläre es ihm. Ob ich noch was für die Schwestern hätte? „Hab ich schon alles übergeben?“ Er hätte so gerne ein Stück. „Ich hab immer eine eingesteckt – aber das ist Bitterschokolade, magst du so eine?“ „Doch bitte!“ Ich krame in meiner Tasche und breche ihm ein Stück herunter. Er nimmt es schnell in den Mund. Unter Tränen spürt er, wie die Schokolade in seinem Mund schmilzt, er ist so gerührt und erleichtert zugleich, wie wenn er Monate darauf gewartet hätte, dass ich ihm gleich die restliche Mini-Tafel aufs Nachtkästchen lege. Ich bin auch überrascht, er hatte bisher keine Süßigkeiten verlangt. „Es ist nicht so… Aber… Ich brauche Nervennahrung…“ wieder kommen ihm die Tränen.
Der Zeit des Abschieds kommt schnell, wird immer schwerer auch für ihn. Ich versichere ihm, dass viele gerne öfter kommen würden, aber es durch die Beschränkungen leider nicht anders möglich ist.
Im Park vor der Station nehmen meine Mama und ich Platz, ich brauche einen langen Moment, um mich wieder zu fangen.
Im Auto schläft sie, daheim redet sie auch nicht viel. „Es ist nur so, dass ich so allein bin“ drückt sie beim Abschied nehmen heraus. Ich finde nicht wirklich tröstende Worte…
Es zieht mich zur heimatlichen – leider versperrten – Kirche. Zufällig treffe ich auf die mir bekannte – verständnisvolle – Messnerin, die für mich extra aufsperrt, damit ich Lichter für die beiden anzünden kann.
Im Auto nehme ich ein Stück Schokolade, bevor ich mich auf den weiten Heimweg mache.
© Isi Dora 2020-08-30