Ein süßer Geruch

Ronny Billhardt

von Ronny Billhardt

Story
Bad Langensalza 2021

Das Telefon in meiner Tasche klingelt und ich hebe mit der gleichen Selbstverständlich ab wie immer. „Schlüsseldienst Auf&Zu, Billhardt guten Tag“ Am anderen Ende meldet sich eine bekannte Stimme. „Polizeidirektion Bad Langensalza, Kachel. Hallo Herr Billhardt.“ „Hallo Frau Kachel, lange nichts gehört. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Eine kurze Stille am anderen Ende. „Vor ab, möchte ich ihnen sagen, dass Sie gerne ablehnen können, ich würde es ihnen nicht einmal übel nehmen.“ Was kommt jetzt? „Wir bräuchten sie für eine Wohnungsöffnung. Wir haben den Verdacht, dass sich in der Wohnung eine tote Person befindet“ Jetzt eine Stille meinerseits. „Wenn ich sie nicht mit Weg tragen muss, hab ich kein Problem damit“ scherze ich. Frau Kachel kontert diesen Witz locker mit der Bemerkung „Dafür sind ja meine Kollegen da“ bedankt sich anschließend für meine Hilfsbereitschaft und gibt mir die Adresse durch. Einsatzort Wohngebiet Süd, eine Blockwohnung. Vor Ort angekommen erwarten mich 2 Polizisten einer könnte mein Vater sein, der andere mein Bruder. Der ältere mustert mich. „Haben sie eine Maske dabei?“ Stimmt, wir haben immer noch Corona. „Ich bin schon genesen“ Ein Kopfschütteln. „Geht nicht um Corona, die Maske hält vielleicht den Geruch fern.“ Eigentlich habe ich keine Lust auf den Schnuffi, aber er wird sich schon was dabei denken. Also FFP2 Maske noch über und vollbeladen wie ein Esel auf dem Weg zur Mühle, stapfe ich hinter den beiden Polizisten ins dritte Stockwerk. Im zweiten bemerke ich bereits einen süßen Geruch als hätte jemand ein Glas Honig frisch geöffnet. Vor der besagten Wohnung ist dieser Geruch noch stärker. Selbst die Maske vermag ihn nicht fernzuhalten. „Seltsamer Geruch“, bemerke ich laut. „Ja“ der ältere Polizist räuspert sich leicht. „Die Nachbarn haben ihn, zuletzt vor drei Monaten gesehen.“ Ich muss schlucken als mir tausende Dinge bewusst werden. Hinter dieser Tür liegt ein Toter und wenn es ungünstig läuft, liegt er direkt hinter der Tür. Ich müsste seinen Körper mit Gewalt zur Seite schieben, oder ich würde vielleicht sogar direkt auf ihn sehen. Aus Krimis und Dokus wusste ich wie eine Leiche unter diesen Bedingungen wahrscheinlich aussehen würde. Doch ich habe einen Job zu machen. Ein Mann ein Wort. Auch wenn ich mir Sicher war, dieser Mann hier war alles andere als Bereit dafür. Erster Versuch die Tür zu öffnen schlug fehl. Abgeschlossen! Also Zeit für härtere Geschütze. Fräser, Akkuschrauber und Schutzbrille bereit machen und ab geht es. Der Zylinder macht es mir Schwer, so als wollte er sagen „lass es lieber“ Doch weniger später gibt er sich geschlagen und die Tür schnappt auf. Ein Geruch, als hätte ich meinen Kaffee mit Honig gekocht, durchdringt unsere Masken und ich kann beobachten wie der jüngere Polizist ein Würgen unterdrückt. Der ältere schreitet, unbeeindruckt an mir vorbei und leuchtet mit der Taschenlampe hinter der Tür auf und ab. „Wir werden keinen RTW mehr brauchen. Jakob bestell den Notarzt und den Kastenwagen.“ Ob es aus Ablenkung geschah oder aus Routine weiß ich nicht, doch Jakob Schritt an mir vorbei in die Wohnung und blickte auf die Leiche während er in sein Funkgerät sprach. Danach setzte er sich blass auf die Treppe und unterdrückte weiter das Würgen. Für mich war die Arbeit getan. Aktenzeichen, Unterschrift und ein neuer Zylinder für die Wohnungstür, den ich dem älteren Polizisten da ließ und mit samt meinem Werkzeug verließ ich die den Block. Runter mit der Maske und Frische Luft atmen war mein einziger Wunsch zu diesem Moment. Einfach nur Atmen.

© Ronny Billhardt 2025-04-19

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Informativ, Reflektierend
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