Ein Tag ohne Frauen

Gerade als der Film begann, huschten Sebastian und Marie in den bereits verdunkelten, bis auf den letzten Platz vollbesetzten Kinosaal. Sie waren diejenigen, die die 2 einzigen nicht abgeholten reservierten Karten ergattert hatten: „Glück gehabt!“, meinte Sebastian. „Am Weltfrauentag!“, fügte er hinzu und schmunzelte, in Richtung Marie. Die schaute etwas grimmig drein: Dieses ganze Getue um den Weltfrauentag, die ganze Woche schon, nervte sie: Emojis und nette Sprüchlein von verschiedensten Frauen, von denen sie normalerweise nie ein Sterbenswörtchen hörte… Also rosafarbene, aufmunternde Whatsappnachrichten an diesem Tag hatten sie ebenfalls nicht erfreut, sondern vielmehr verärgert. Und dann Sebastian, mit seinem Vorschlag, diesen Frauentags-Film anzuschauen… Sie hatte eigentlich nur zugestimmt, weil sie sich im Kino, mit einer Tüte Popcorn in der Hand, zumeist wunderbar entspannen und den Kopf frei bekommen konnte.

Ja…aber eigentlich hatte ihr der Titel des Films „Ein Tag ohne Frauen“ schon auch irgendwie gefallen…

Dass dieser Dokumentarfilm über den Streik der Frauen Islands vor genau 50 Jahren sie dann so packen würde – damit hatte sie nicht gerechnet. All die Statements und Interviews mit Frauen, die jenen Tag selbst erlebt hatten; die Vorgeschichte: wie es zu diesem „Tag ohne Frauen“ gekommen war, wie er gemeinschaftlich organisiert wurde, mit historischen Filmaufnahmen; all diese so kraftvollen und positiven Frauen zu sehen, die sich für das Menschenrecht der Gleichbehandlung einsetzten, trieb ihr tatsächlich die Tränen in die Augen und traf sie im Innersten.

Applaus brandete auf, im Kinosaal, nach dem Abspann des Films.

Sebastian und Marie trafen im Foyer dann noch ihre Freunde Vera, Peter, Sabine und Susanne und setzten sich mit ihnen im Café neben dem Kino zusammen.

Allen – und auch anderen Gästen des Cafés – ging es anscheinend gleich: Es herrschte eine freudige, geradezu feierliche Stimmung. Einfach wunderschön war das!

„Es tut so gut, zu sehen, dass Dinge bewegt werden können!“, meinte Susanne. „So hat es Island es geschafft, auf den 1.Platz, weltweit, der Gleichstellung von Frauen und Männern! Das heißt: gewaltfreies, gemeinsames Handeln ist der Schlüssel! Wir können das auch!“