Es war einmal ein Tag im Advent. In der Mariahilferstraße herrschte trotz Corona, reges Treiben. Fast wäre ich an den Mann, an der Straßenecke, vorbeigelaufen. Eine kleine Geste ließ mich stocken. Im Augenwinkel sah ich, wie zärtlich er seinen Hund streichelte.
Ich wollte ihm kein Geld geben. Irgendwas hielt mich zurück. So holte ich eine Tüte Kastanien und Bratkartoffeln und brachte sie dem Mann.
Anders als andere Obdachlose war dieser gepflegt, seine Kleidung sauber. Er nahm einen Schluck aus der Mineralwasser-Flasche. Mit dem weißen Bart sah er ein bisschen aus, wie der Weihnachtsmann. Der Mann saß auf dem kalten Boden, sein Hund neben ihm, in eine Decke gehüllt.
„Warum ist der Hund zugedeckt und Sie sitzen auf dem bloßen Asphalt?“, fragte ich erstaunt.
„Was meinen Sie, wie mich die Leute beschimpfen würden, wenn sie sehen, dass der Hund friert.“
„Und Ihnen? Ist Ihnen nicht kalt?“
„Man gewöhnt sich daran. Ich stehe alle zwei Stunden auf und bewege mich. Außerdem gibt mir mein Hund Wärme ab. Hier und hier.“ Dabei zeigte er auf seinen Oberschenkel, an dem der Hund lehnte und auf sein Herz. „Einzig meine Hände werden manchmal klamm.“
„Wie kommen Sie auf die Straße?“
„Das Übliche: Job, Frau und Wohnung verloren, Fehler gemacht, Straße.“
Nachdenklich ging ich davon. Eigenartig, auf einem Hund wird besser geschaut, als auf einem Menschen. Was sind wir bloß für eine Gesellschaft!
Am nächsten Tag besorgte ich ein paar Weihnachtsgeschenke. Auch Handschuhe.
Ich fuhr in die Mariahilferstraße und suchte nach dem Mann. Vergebens. Traurig ging ich nachhause.
Doch ich gab nicht auf. Ich schaute immer wieder bei der Stelle vorbei, bis ich ihn endlich antraf. Hektisch überreichte ich ihm das Weihnachtspäckchen und wollte schon davon gehen, als auf einmal der Hund unter der Decke hervorkroch. Es war, als wollte er seinem Herrchen, was ins Ohr flüstern. Ich zwinkerte. Dann nochmal. Das konnte nicht sein. Der Mann sah aus wie – Jesus. Ich habe wirklich Stress! Ich schloss meine Augen und alle Hektik fiel von mir ab. Ein Gefühl von Ruhe und Frieden bereitete sich aus. Ich wollte die Stimmung festhalten und ließ die Augen geschlossen, bis ich einen leichten Druck spürte. Der Mann hatte beide Hände auf meinen Kopf gelegt und sagte „Alles wird gut!“
Ich weiß, dass er gestorben ist, trotzdem lebt er heute noch.
© Brigitte Geretschläger 2020-12-22