von MISERANDVS
Auf FB bin ich in so einer Motorrad-Gruppe drin. Und weil das Wetter passt, und sich die Autschis heut ein wenig ruhig verhalten, schreib ich in einem Anflug von Sozialverhalten, ob nicht einer vielleicht eine Runde mit mir drehen will. Nach ein wenig diskutieren, findet sich einer (war wohl zu kurzfristig mein Aufruf), und eine, die ich schon mal getroffen hab in einer lustigen Abendrunde, fährt bei mir am Bock mit, weil ihre Mühle beim Mechanicus steht.
Wir düsen gemächlich los. Und ich bin ziemlich glücklich, dass sie das mit dem Mitfahren so gut drauf hat. Sie macht die Kurven schön mit, zuckt ansonsten nicht viel herum, und wir plaudern manchmal ein paar Worte, wenn wir was sehen, was uns schöngeistig den Sehnerv stimuliert. Unterwegs gabeln wir den Altmeister mit seiner V-Strom auf und entscheiden und spontan, seiner Routenempfehlung als Eingeborenem zu folgen. Das wird richtig fein. Er kann gut fahren, presst nicht so an, und er kennt die Strecke. Wir haben richtig Spaß dabei. Gelegentlich quietscht hinter mir eine Frauenstimme kurz auf, wenn ich über eine Sandspur fahre, welche stellenweise unerwartet nach den Niederschlägen liegt, und meine Schöne einen kurzen Ruck mit dem Hinterteil macht. Der Routenkundige verabschiedet sich nach knapp anderthalb Stunden, und wir zwei schunkeln noch ein wenig, schon Richtung Wien.
Als wir in der Ramsau kurz Pause machen, sieht sie mich an. “Was’n?”, frage ich und schaue grinsend auf ihre blau gefärbten Haare. “Ach, nix.”, sagt sie. Ich schau mir die Gegend an. Postkartenlandschaft. Ehrlich. Könnte man ein wenig schöngeistig verweilen. Sie macht ein paar Bilder von der Landschaft. Ich lehn mich an meine Mühle, rauche eine. Sie stellt sich daneben. Und wieder schaut sie mich so an. “Was denn??”, frage ich. “Ist fein so mit dir. Ich mein, ist ja immer ein Risiko mit einem Unbekannten, und die Kerle grabbeln einen ja auch immer an. Aber mit dir ist es schön. Gutes Gefühl so! Entspannt. Guter Fahrstil. Dein Humor: Naja, gewöhnungsbedürftig, aber du bist ein witziger Mensch.“ Ich sage: “Scheiße! Ich hab aufs Antatschen vergessen! Ich wusste doch, da war noch was!” Ich streck meine Pfoten in Richtung ihrer Brüste aus, lass meine Zunge aus dem Mund hängen. Sie lacht laut auf, nennt mich einen Idioten. Ich weiß, sie hat einen Freund. Ein netter Kerl. Sie ist sowieso zu jung, und ich … naja. Ich bin mit mir selbst beschäftigt. Ich denke, sie kann sich an mich sowieso nicht mehr erinnern. Ist lang her. Gesichter vergisst sie, Stimmen merkt sie sich.
Ich schau noch einmal in die Gegend. “Wunderschön.”, sage ich leise Und da ruft sie: “Jetzt weiß ich wieder. Der Spieleabend, nicht?” Ich nicke. „Du hast so liebevoll erzählt von, … wie heißt sie noch?” “Lydia.” “Wie gehts ihr?”, fragt sie, lächelt. Ich seh‘ sie an, flüstere:“Tot.“
Die Stimmung ist im Arsch. Ich sag: “Komm, wir fahren, ja?” Sie nickt, steigt wortlos auf und schweigt bis Wien.
Sozialexperiment gescheitert. Wegen eines verräterischen Worts.
© MISERANDVS 2021-06-27