Ein wunderschöner Ort

Herrschaftlich erhob sich die historische Villa aus der malerischen Landschaft. Die venezianische Baukunst entsprach mit ihrer Größe und Eleganz dem Stil der Spätrenaissance des 16. Jahrhunderts. Einzigartig und beeindruckend.

Giulietta saß im Schatten der alten Bäume, die den Weg zur verlassenen Villa säumten. Verträumt malte sie diesen zauberhaften Ort. Mit Ölfarben versuchte sie dem Bildnis auf ihrer Staffelei Leben einzuhauchen, den Charme und die unvergängliche Schönheit einzufangen. Sie liebte es mit präzisen Pinselstrichen eine Erinnerung für immer zu bewahren. Seit einem Jahr begleitete sie ihre Mutter auf ihren Reisen quer durch das Land auf den Spuren vergangener Epochen. Ihre Mutter war Fotografin und arbeitete mit einer befreundeten Architektin an einem Buch über den Einfluss der Renaissance auf die italienische Baukultur. Die Orte, die Giulietta bisher gesehen hatte, faszinierten sie, doch diese Villa hatte etwas Besonderes an sich, etwas Träumerisches, etwas Sehnsuchtsvolles – vielleicht sogar magisches?

Giulietta schloss die Augen und genoss die Stille. Plötzlich hörte sie mehrere Geigen spielen. Erst leise, dann immer lauter – als riefen sie nach ihr. Harfen, Lauten und Flöten ergänzten die sanfte Melodie. Giulietta ließ sich von der Musik leiten und streifte durch den großen, naturbelassenen Garten. Vorbei an alten Backsteintorbögen und Säulen, fand sie sich vor einem imposanten Wasserspiel wieder. Treppenförmig plätscherte das Wasser hinab. Oben standen sechs weiße Statuen. Frauen und Männer engelsgleich. Vor Giuliettas Augen begannen sie zur Musik zu tanzen. Ein zeitgenössischer Gesellschaftstanz. Anmutig drehten sie sich, obwohl sie aus Stein gemeißelt waren. Die zarten Töne beflügelten sie. Giulietta lächelte.

»Ein wunderschöner Ort. Bellissimo!«

Giulietta sah sich um. Die Musik war verstummt. Ihre Mutter stand neben ihr, die Kamera in den Händen. »Diese Villa wird das Herzstück des Buches werden«, sagte sie. »Dein Bild fängt die besondere, friedliche Stimmung perfekt ein. Ich werde es ebenfalls im Buch abbilden lassen.«

Giulietta lehnte ihren Kopf gegen die Schulter ihrer Mutter und beobachtete, wie die Sonne langsam am Horizont herabsank. Sie dachte an die schönen Klänge und den Tanzreigen der Figuren am Brunnen. Hierfür gab es nur ein Wort: Magie – magia