Ein Zuhause, zwei Leben

Marlene König

von Marlene König

Story

Als Landei, das sich satt gesehen hat an hohen Bergen, muhenden Kühen und dem 2000-Seelen-Dorf, was ich mein Zuhause nenne, zog es mich vor zwei Jahren in die große weite Welt hinaus… Dachte ich zumindest zu diesem Zeitpunkt.

Im Endeffekt verschlug es mich in die nächst größere Stadt, die ebenfalls ziemlich überschaubar ist. Dennoch: Mit meinen sieben Zwetschgen im Gepäck hatte ich damals den festen Entschluss gefasst – mein neues Leben mit neuen Leuten in einer neuen Stadt zu beginnen. Zugegeben: Als äußerst introvertierte Person, die nicht muh und nicht mäh sagt, fiel mir vor allem der Punkt mit den neuen Leuten nicht allzu einfach. Nichtsdestotrotz habe ich heute, gute zwei Jahre nach meinem Umzug in die Stadt, das erste Mal das Gefühl gehabt angekommen zu sein. Ich fühle mich wohl. Bin zufrieden mit meinem Umfeld. Ich habe Leute kennengelernt, die ich auch in Zukunft nicht mehr missen will. Ich bin inspiriert von dieser überschaubaren Stadt, die dennoch so viele Facetten hat. Ich komme gerne nach Hause, denn hier kann ich sein, wer ich sein will.

Zwei Zuhause, zwei Leben? Momentan habe ich den Eindruck, als würde ich zwei Leben leben und meine zwei Leben sind gebunden an den Ort, an dem ich gerade lebe. Denn der Ort bestimmt welches Leben ich gerade lebe. So wie ich bin und sein will, ist abhängig davon in welchem Zuhause ich mich gerade befinde. Doch um genau zu sein, gibt es gar keinen Plural von Zuhause. Wenn, dann gibt es ein zweites Zuhause. Aber das erste Zuhause ist der Grund, warum es das zweite Zuhause gibt.

In meinem Zuhause meines ersten Lebens, bin ich so wie ich immer war, denn sie kennen mich nicht anders. Hier bin ich eben aufgewachsen. Dort bin ich zurechtgeschnitten und abgestumpft worden – so wie es sich nun mal gehört. Mein zweites Leben fühlt sich irgendwie anderes an. Anders bedeutet nicht falsch, eher bunter, freier, reichhaltiger. Ich bin nicht die, die ich von Zuhause gewohnt bin. Aber es geht ums Gefühl und es fühlt sich eben fast wie Zuhause an, obwohl es verglichen dazu so konträr ist.

Wenn ich also hier jemand anderes bin als dort, wer bin ich dann wirklich? Muss ich das denn wissen, wer ich wirklich bin? Zwei Leben, ein erstes und ein zweites Zuhause, das ist das, was ich hab. Mehr will ich gerade nicht wissen, denn zwei Leben sind besser als eines allein und das Gefühl vom zweiten Zuhause erinnert mich an den Ort, den ich mein Zuhause nenne – dort in den hohen Bergen, wo Kühe und 2000 Menschen muh und mäh sagen.

Muh.

© Marlene König 2022-12-15

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