Eindrucksvoll umgekehrt

Anna Kerbl

von Anna Kerbl

Story

Ich war mit meiner Mutter am Stubaierhöhenweg unterwegs. Einige Etappen dieses eindrucksvollen alpinen Paardieses bestritten wir gemeinsam. Eindrucksvoll war die Tour allemal, nicht umsonst nennt sich ein Abschnitt tatsächlich das Paradies. Eine saftig, grüne Wiese, gesäumt von Wollgras durch die sich ein sanfter Bach schlängelt, war umgeben von mächtigen Bergen. Im kristallklaren Wasser mancher Bergseen spiegelten sich die zum Teil mit Schnee und Gletscher behafteten Gipfeln. Wasser war neben dem grandiosen Wetter ein stetiger Wegbegleiter. Wir konnten beobachten wie es über die schroffen Felsen wild herabstürzte ehe es sanft am Talboden weiter floss. Besonders waren nicht nur diese Eindrücke, sondern auch unser Mutter-Tochter-, Gespann. Während meine Mutter bereits am frühen Nachmittag in Hüttennähe die einzigartige Naturkulisse relaxend genoss, bevorzugte ich eher den anstrengenden Genuss in Form einer Gipfeltour. So konnte ich unter andrem den Aperen Freiger und den Wilden Freiger besteigen.

Zwei 3000er die mir neben Ausdauer und Trittsicherheit auch einiges an alpiner Erfahrung abverlangten. Belohnt wurde ich mit einem wunderbaren Weitblick und diesem unbeschreiblich tollen Gefühl vom Gipfelglück. Zudem wurde am Abend gemeinsam gebührlich angestoßen und die verbrannten Kalorien in Form von köstlichen Hüttenschmankerl wieder aufgenommmen. Das ganze natürlich im alpinen Ambiente, sprich einer urigen Stube samt gemütlichen Menschen.

Der letzte Hüttenabend war angebrochen, dieser hat auch für mich bereits Mittags begonnen. Es meldete kurzfristig schlechtes Wetter.

Was für ein Glück, das Rasten unter den letzten Sonnenstrahlen war eine Wohltat. Erst am späten Abend brach ein Gewitter herein, das die ganze Nacht wütete. Die Schutzhütte wurde ihrem Namen wahrlich gerecht.

Am nächsten Morgen, es war sehr frisch. Die Gewitterwolken lichteten sich, draußen war es zum Teil schneenass. Es wurde sichtlich und auch laut Wetterbericht immer schöner. Uns stand nur mehr der Abstieg bevor.

Spontan entschied ich mich für eine Gipfeltour vor dem Abstieg. Meine Mutter wollte ohnehin noch länger Frühstücken und auf die Wetterspitze sollte es nicht weit sein.

Ich spurtete also los, höher und höher. Die Wolkenstimmung war mystisch, es war düster, die Sonne noch schwach. Die letzte Passage näherte sich knapp unter 3000 m. Eine schmale kurze Stelle übersäht vom Eisregen, links und rechts der Abgrund. Da war es da, dieses Bauchgefühl, auf das jeder Bergsteiger hören sollte. Einfach umdrehen!

Gefühlt, getan!

Plötzlich öffnete sich der Himmel. Die Sonnenstrahlen brachen durch, die letzten Dunstschleier lichteten sich, die Natur zeigte sich von ihrer schönsten Seite. Ich hielt inne, war froh über meine Entscheidung und knipste ein paar Fotos. Wie bestellt tauchte aus dem Nichts ein Steinbock auf. Stolz und mächtig posierte er minutenlang vor meiner Kamera. Was für ein eindrucksvoller Abstieg!

© Anna Kerbl 2021-02-10

Hashtags