von Beate Schiffmann
Als wir oben auf dem Pass angelangt waren, breitete sich tief unter uns am Fjord die kleine Stadt Siglufjördur aus. Sie lag wie buntes Spielzeug da, angelehnt an die hohen Berge.
Sie hat eine besondere Geschichte.
Am 8.Juli 1903 landete das erste norwegische Fischerboot im Hafen, vollgepackt mit Kisten frischer Heringe. Es waren nämlich Heringsschwärme in der Nähe entdeckt worden. Daraufhin begann man über Jahre große Mengen Heringe zu fischen. Es entstanden viele Betriebe, die den Fisch verarbeiteten. Von überall kamen junge Frauen, um die Heringe im Akkord auszunehmen, zu salzen und in Fässer zu packen. Die Reste wurden zu Fischmehl verarbeitet oder zu Öl ausgepresst. Die Fässer gingen in alle Welt.
1948 war Siglufjördur zur fünftgrößten Stadt auf Island angewachsen. Doch durch die jahrelange Überfischung blieb der Hering nach und nach aus, bis 1968 alles vorbei war. Es gab keine Arbeit mehr, die Menschen zogen fort. Viele in andere Länder, auch nach Amerika.
Einer erinnerte sich an diese Zeit, da war er 12 Jahre alt. Als 60jähriger kam er zurück, Robert Gudfinnsson. Er war Kapitän eines Fischkutters, stieg zum Vorsitzenden des größten isländischen Fischkonzerns auf. Er machte ein Vermögen mit Fischfarmen in Kroatien, Mexiko und Chile. Mit 30 Ländern machte er seine Geschäfte.
Dann verkaufte er alles und konzentrierte sich nur noch auf Siglufjördur. “Das wird mein letztes Projekt”, sagte er. 2006 ließ die Regierung zwei Tunnelröhren durch die Berge bauen, eine 7km und eine 4km lang. Seit 2010 erreicht man nun die Stadt Akureyri in einer Stunde, wo es eine Uni und ein Krankenhaus gibt.
Gudfinnsson richtete ein Heringsmuseum ein, baute eine Salzstation als Restaurant und Hotel um und ließ es gelb anstreichen. Ein zweites Hotel eröffnete er ebenfalls mit rotem Anstrich. In himmelblau erstrahlte daneben eine Galerie. Nun kamen Touristen im Sommer und im Winter um dieses Wunder zu erleben. Gudfinnssons Kinder kamen aus Amerika zurück , um wieder hier zu leben.
“Wir wollen die kleine Stadt interessant machen für junge Leute, die gut ausgebildet sind und hier glücklich leben können”, das ist sein Motto.
© Beate Schiffmann 2021-05-19