Eine feuchte Liebe

Heinz-Dieter Brandt

von Heinz-Dieter Brandt

Story

Es klingelt. Juchzend steht mein Nachbar vor der Tür: „Robby ist…“ Und schon schneide ich ihm das Wort ab. Sein Robby ist nicht mein Robby, und mein Robby ist nach der Quarantäne in Coronapause. Er hat hier kurz vorbeigeschaut, schien etwas verwirrt zu sein und ist dann in die Reha gekommen. Ich bin nicht sehr stolz auf ihn, aber man sollte seinen Namen nicht missbrauchen. Seit meine Frau ihn gekauft hat (angeblich, um mir die Arbeit abzunehmen, in Wirklichkeit aber, um mein Männlichkeitsgefühl zu untergraben), gehört er – Blut ist bekanntlich dicker als Wasser – zur Familie.

Das Verrückte ist: Mein Nachbar hat sich von seinem (meinem Turborasenmäher weit unterlegenen) Motorrasenmäher abgewandt und, nachdem er meinen Robby gesehen hatte, ebenfalls einen schwachsinnigen Algorithmus-Rasenmäher gekauft, sich davor gesetzt und stolz zugeschaut, wie der zwar wie ein Idiot durch den Garten rennt, aber jede Strecke zehnmal umrunden muss, bevor er auch nur einen knappen Zentimeter Rasen gemäht hat. Meine Warnungen hat er in den Wind geschlagen. Eine Woche nach seinem Spaßkauf war sein Robby weg. Verschwunden! Kann sein: Der Automat wollte sich eine Pause gönnen, hat sich in die Büsche geschlagen, vermisst eine intensivere Betreuung durch sein „Herrchen“, hat vergessen, dass er den Strom holen muss – denkt, man bringt ihn ihm löffelweise. Jedenfalls ist er weg.

Nachbarschaft ist Nachbarschaft. Ich möge ihm doch bitte beim Suchen helfen. Also Grill angeworfen, Bier kalt gestellt, seinen Namen gerufen. Er kam nicht. Wir haben dann erst mal das Nötigste am Grill erledigt: Fleisch gebraten, kaltes Getränk genossen und dann zum üblichen Lockruf übergegangen.

Er blieb verschwunden. Also mussten wir selbst ins Gebüsch – alles absuchen, jeden Strauch umdrehen, teilweise den Boden ausheben. Robby 2 (ich nenne ihn mal so) blieb verschwunden. Drei Stunden später wussten wir es: Robby 2 war geklaut worden. Damit war diese Aufgabe erledigt – wir konnten uns der Hauptaufgabe widmen: Einer Flasche feinsten irischen Whiskeys – aber wir schickten noch freundliche Grüße an Robby 2.

Mein Nachbar erstattete Anzeige, benachrichtigte die Versicherung, bekam sein Geld zurück und war froh, aus dem Schlamassel raus zu sein – aber er hatte nichts begriffen: Zwei Wochen später stand Robby 3 in seinem Garten. Eine Woche später: Robby 3 war weg!

Weinend beklagte sich mein Nachbar über die Dreistigkeit der Diebe, die keinen Respekt mehr zeigen würden. Ich war nicht so traurig und hatte mich nicht getäuscht: die gleiche Prozedur wie vor zwei Wochen – nur diesmal endete der Tag mit einer Flasche Scotch Whisky. Alles andere wie gehabt. Suche wieder erfolglos. Kommt jetzt Robby 4?

Doch plötzlich steht mein Nachbar vor der Tür. Will er mir das Ergebnis seiner Überlegungen mitteilen? Jubelnd, freudestrahlend!

„Hey, stell dir vor, ich habe beide Robbys gefunden! Ich hatte den Teich abgelassen und da lagen sie …. vereint im Teich“.

Da erzähle mal einer, diese Maschinen hätten keine Gefühle füreinander.

© Heinz-Dieter Brandt 2020-08-02

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