Eine große chinesische Vase

Klaus Schedler

von Klaus Schedler

Story

Was machen Hubschrauber im Film? Nun, sie explodieren. Und Vasen? Na dreimal darf man raten.

Endlich 1971: Das Abitur war geschafft. Wir standen am Beginn großer Veränderungen und welch tolle Pläne und Erwartungen hatten wir damals! Mit all ihren reichen Angeboten und Möglichkeiten stand die Welt damals wirklich offen und jede und jeder stand vor der Frage, wie sich das Beste daraus machen ließ. Gleichzeitig war mit dem Abitur die Trennung vom Kreis der langjährigen Mitschüler, Freunde und Freundinnen, verbunden.

Vorab aber stand uns allen für die nächsten Tage noch eine absolut sorgenfreie Zeit bevor, denn all dies sollte und durfte gebührend gefeiert werden und so folgte Party auf Party. Bald war die letzte Feier angesagt. Die Gastfamilie war wohlhabend und das zeigte man auch. Das Haus war geschmackvoll eingerichtet und mir gefiel vor allem die wunderschön bemalte, etwa 1,20 Meter hohe chinesische Bodenvase im Flur.

Die Fete neigte sich bereits dem Ende zu: Fast alle waren gekommen, die Stimmung war prima, und die Zukunftsplanungen waren immer noch ein unerschöpfliches Thema. Diesmal war auch Margret dabei, die eigentlich erst ein Jahr zuvor in unsere Klasse gekommen war, und die hatte ihren etwas schweigsamen, neuen Freund mitgebracht. Nun aber waren fast alle bereits gegangen. Lediglich der “harte innere Kern“ unseres Freundeskreises sowie Margrets Freund waren übrig geblieben und erfahrungsgemäß hätten wir bis zum Morgengrauen weiter diskutieren können.

Dann aber wurden wir von einem scheppernden Krach aus unserem Gespräch herausgerissen. All der konsumierte Alkohol war schlagartig verflogen. Wir flitzen in den dunklen Flur, von wo der Lärm gekommen war und machten das Licht an. Dort, inmitten der zu einem Scherbenhaufen verwandelten chinesischen Vase saß Margrets Freund am Boden und hielt sinnend eine große Scherbe in Händen. Er war aufs Klo gegangen, hatte dies auch gefunden, jedoch am Rückweg in der Dunkelheit die Vase übersehen. Gott sei Dank war er unversehrt, doch die wunderschöne chinesische Vase war Geschichte geworden.

Vom Lärm geweckt, erschien nun auch die Frau des Hauses im Morgenmantel und beklagte den schmerzlichen Verlust des schönen Stücks. Der unglückliche, so unversehens zum Vasen-Vernichter gewordene Übeltäter meinte in seiner Benommenheit zu seiner Rechtfertigung mit schwerer Zunge: „Ick kann doch nech dafür – wat steht dat dumme Ding auch so dusselig da rum.“

Trotz des beträchtlichen Verlustes konnten wir jetzt unser Grinsen nicht unterdrücken und auch die Hausherrin schüttelte nurmehr den Kopf und meinte lakonisch „…jetzt macht hier Ordnung!“ ,bevor sie sich zurückzog. Margrets Freund zog es vor, sich umgehend aus dem Staub zu machen und wir sahen ihn nie wieder. Wir aber kehrten lachend noch alles zusammen, bevor wir heimgingen. Mit der zerbrochenen Vase war nun unsere letzte Party und damit auch die Schulzeit endgültig vorbei. Aber sie war schön – nicht nur die Vase!

© Klaus Schedler 2020-01-02

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