Für meine Lieblingsmenschen würde ich, ohne mit der Wimper zu zucken, um die halbe Welt reisen, auf meine Lieblingsschokolade mit der so unglaublich leckeren Karamellfüllung verzichten und sofort eine neue Sprache lernen. Vermutlich würde ich für sie einen Kuchenwettbewerb gewinnen, den Mount Everest besteigen und einen Frosch küssen.
Natürlich ist es wichtig, auf sich selbst aufzupassen, die eigene Sicherheit zu wahren und die persönlichen Bedürfnisse zu stillen.
Doch für die Menschen, die einem so sehr am Herzen liegen, würde man ziemlich viel in Kauf nehmen, oder?
Und nun stehen wir hier:
Du streckst mir deine Hand entgegen. Fordernd und dennoch bittend.
Du schaust mich an. Neugierig und hoffnungsvoll.
Du wartest auf meine Entscheidung. Geduldig und skeptisch.
Es ist nur eine Kleinigkeit, eine wohlwollende Unterstützung, die du mir anbietest. Ich habe dir geholfen. Sofort und ohne zu überlegen. Du bist mir wichtig und die Form von Hilfe, die du brauchtest, konnte ich dir geben, ohne mich selbst zu vernachlässigen. Doch selbst, wenn es mich mehr Zeit und Anstrengung gekostet hätte, ich würde wohl keine Sekunde damit verbringen, abzuwägen, ob es mir wirklich wert war, dir zu helfen, geschweige denn, ob es sich lohnen würde. Dies würdest du auch für mich tun. Ich weiß es. Schließlich tust du es ja gerade.
Jetzt bietest du mir deine Hilfe an.
Ich sollte wohl nicht so viel nachdenken, nicht so viel zweifeln, nicht so viel misstrauen. Ich sollte einfach Ja sagen, dir ein dankbares Lächeln schenken und schon wäre deine Hilfe meine Stütze.
Dennoch stehe ich hier und es fehlt nur noch ein kleines Stück – ein kleines Teilstück, bis ich abwehre, Nein sage und die Hilfe nicht annehme.
Wieso haben wir manchmal den Drang nur zu geben und nicht zu nehmen? Wieso denken wir häufig, dass wir immer alles alleine machen müssen? Weil wir andernfalls unsere Erfolge nicht verdient haben? Weil wir uns zu einer Gegenleistung verpflichtet fühlen? Eine Hand wäscht die andere – aber tut sie das nicht vor allem aus Herzenswärme, Empathie und Aufrichtigkeit?
Ich glaube, Hilfe anzunehmen, kann ein Anker sein – eine Chance. Hilfe ist wesentlich mehr außer dem Verlangen oder die Erwartung, im Gegenzug ebenfalls etwas zu bekommen.
Ich blicke auf deine hilfsbereite und vor allem bekannte Hand, die du mir entgegenstreckst.
Und ich entscheide mich für den Anker – eine Chance. Und so findet meine Hand automatisch den Weg zu deiner. Ich spüre eine angenehme Wärme – eine Verbundenheit.
Es fühlt sich gut an, deine Hand angenommen zu haben – deine Hilfe.
© Amy-Sophia Birkner 2023-01-10