Eine Kiste voller Schrauben

Laura Schäffner

von Laura Schäffner

Story

Der Keller meiner Eltern ist eine Sickergrube. Egal, was man diese Treppe hinunterbringt, es ist fort. Allerdings entwickelt es die unangenehme Eigenart wieder aufzutauchen. Denn leider ist es keine Art schwarzes Loch, in dem einfach alles verschwindet, dann wäre er wenigstens sauber und aufgeräumt. Bumerangartig kommen Sachen zurück, die man schon vergessen hatte und müllen diesen Keller weiter und weiter zu. Kurzfristig scheinen die Sachen weg zu sein, aber auf lange Sicht ist man sie nicht los. Heute stört mich das nicht. Wenn die Dinge, die ich heute hier zu versenken gedenke, in ein paar Jahren wieder auftauchen, werden sie nicht mehr mein Problem sein.

Alle Jubeljahre verkündet meine Mutter stolz, sie habe aufgeräumt, endgültig entrümpelt. Jedes Mal, wenn ich nach so einer Ankündigung in den Keller geschleift werde und mir dort mühsam einen Weg bahne zwischen dem alten Tischkicker, eimerweise Vogelfutter und den Ölfarben meiner lange weggezogenen Schwester, will ich mir gar nicht vorstellen, wie es dort vorher ausgesehen haben muss.

Als ich heute die Kellertreppe runtergehe, habe ich eine Mission, ich habe lange darauf hingearbeitet und wie alle guten Missionen ist sie geheim. Wochenlang habe ich heimlich Zeitfenster genutzt, in denen ich alleine war, habe vorsortiert und ausgeräumt, habe beiseite geschafft und versteckt. Heute ist der große Tag, ich habe einen ganzen Vormittag zur Verfügung und werde endlich all die alten Spielsachen, mit denen niemand mehr spielt, in den Keller meiner Eltern verbannen.

Im Wandschrank hinter den hoffentlich nur von Motten zerfressenen Mänteln meiner verstorbenen Großmutter finde ich den idealen Platz. Ich will die Tür mit Schwung zu schmeißen und hoffe darauf, dass das Geräusch des Zuschlagens meiner Befriedigung die Krone aufsetzt, aber etwas scheint die Tür zu blockieren. Hoffentlich ist der Karton nicht zu groß, ich habe kein besseres Versteck und nicht die Zeit in dieser Müllhalde ein neues zu finden. Doch es ist nicht mein Karton, der die Schranktür offen hält, es ist eine andere, mir unbekannte Kiste. Als ich den Deckel nur einen kleinen Spalt anhebe, explodiert sie und ich finde mich in einem riesigen Haufen Schrauben und Papier wieder. Die Ikea-Anleitungen kann man kaum noch lesen, die Schrift auf dem braun-grauen Papier ist quasi komplett verblasst. Die Schrauben sind teilweise in kleinen Plastiktüten, teilweise lose. Und mit einem Mal wird mir so einiges klar: all die wackeligen Stühle, der schiefe Schreibtisch, die lockere Tür am Kleiderschrank, das Regal in das man nur die kleinen Bücher reinstellen durfte… All das war nicht die Schuld von Herrn Ikea, wie mein Vater, der Aufbauvirtuose uns weiß machen wollte, hier lag das Geheimnis die ganze Zeit gut versteckt, in der Sickergrube, die meine Eltern ihren Keller nennen.

© Laura Schäffner 2021-08-31

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