von Ulrike Ottiger
…Feya spürte Zähne, aber keine beißenden Zähne. Zähne die ihre Finger ertasten wie ein Welpe es tut, um seine Zuneigung zu zeigen. Dann Schnurrhaare und schließlich eine feuchte Schnauze. Blinzelnd öffnete sie erst ein Auge, dann beide und ertastete schließlich Naajas Kopf. Diese sah sie fragend an. „Ich helfe dir“, sagte Feya, stand auf und umrundete erneut den Baumstamm. Von dort aus drückte sie mit voller Kraft gegen den Baum. Nichts passierte. Zwischen Keuchen und Kratzen zog Naaja immer wieder an einem dickeren Ast. Schließlich, ein Spalt groß genug, um tief drinnen etwas, das Feya zunächst für einen großen klumpen Moos hielt, zu erkennen. Das Junge? Im Inneren der Höhle war das Wasser so tief, das sie kurz schwimmen musste, um das kleine zitternde Fellknäuel zu erreichen. Das Junge wehrte sich nicht als Feya es in ihre Arme schloss. Es knurrte nicht einmal. Es lag einfach still während Feya versuchte es auf dem Rückweg so wenig wie möglich in das eiskalte Wasser zu tauchen. Am Höhlenausgang angekommen atmete sie durch. Naaja beäugte das gerettete Junge mit einer Mischung aus Sorge und Erleichterung. Hoffentlich hat es sich nicht erkältet, dachte Feya. Zu ihrer eigenen kleinen Höhle war es nicht weit. Dort würde sie es wärmen können. Sie hörte einen Donner. Auch das noch. Gewitter im Wald waren nie ein gutes Zeichen. Eine ungute Vorahnung breitete sich in ihr aus als Feya das Junge durch den Eingang der Höhle schob und schließlich hinterher kletterte. Noch bevor sie sah was geschehen war, sah sie es in Naajas schock-geweiteten Augen. Flammen spiegelten sich in den Pupillen der Füchsin. Nein, nein, nein. Sie waren doch alle zu erschöpft um davon zu rennen. Es ging nicht und doch mussten sie. Hinter Naaja lag ein weiteres Neugeborenes. Feya nahm beide in die Arme, drehte sich nach einem letzten Blick auf das brennende Waldstück in die andere Richtung und begann zügig zu gehen. Die Füchsin folgte ihr, jedoch viel langsamer, keuchender und schon nach wenigen Minuten waren ihre Wehen so stark, dass sie anhalten mussten. Hinter ihnen kippte ein brennender Baum über den Bach und setzte damit auch das andere Ufer in Brand. Feya wollte weiter und doch kniete sie sich neben Naaja nieder. Diese war gerade dabei das dritte Junge zur Welt zu bringen. Feya fokussierte sich. Sie merkte dabei gar nicht wie das Feuer sie einholte, sie einkesselte, drohte sie zu verschlingen. Sie merkte es erst als das dritte Junge auf ihrem Arm lag und es keinen Ausweg mehr gab. Sie schluckte und überlegte. Schwimmen war vielleicht die einzige Option, auch wenn das Wasser wenige Meter weiter vorne einige kleine Wasserfälle hinunter brauste. Sie hatte gerade einen Fuß in die Strömung gestellt als die Füchsin aufheulte. Sie pausierte. Naaja kam schleppend auf sie zu. Ich will nicht das meine Jungen sterben, schien ihr Gesichtsausdruck sagen zu wollen. Dann berührte sie Feya sanft mit der Schnauze und alles wurde anderes. Ein Feuerwerk aus Emotionen explodierte in Feyas Brust, die gähnenden Flammen um sie herum verschwanden, wichen aus, erloschen überall dort wo sie vorher zu nah waren. Feya hatte das Feuer erhalten, es loderte durch jede ihrer Adern und knisterte elektrisierend in ihren Ohren. Überall wo sie hintrat wichen die Flammen von ihr. Sie waren sicher. Auf dem Rückweg zu Feyas Höhle begann es sanft zu schneien und das Feuer in ihrem Blut ebbte zu einer sanften Wärme ab. Eine Wärme, die sie von nun an für immer begleiten würde.
© Ulrike Ottiger 2024-09-07