Eine Liebe in Venedig

Elisabeth Leeb

von Elisabeth Leeb

Story

Ganz eindeutig hatten mich meine Hormone zu diesem Wahnsinn angestiftet, weil ich schon lange solo war. Ich wollte mit Eddie, den ich erst kurz kannte, nach Neapel.Um 7.30 stieg er zu mir ins Auto – ein kleiner Rucksack und seine Gitarre.Venedig war unser erstes Ziel, übernachten wollten wir in Padua. Nach der Grenze übernahm er das Steuer, was mir sicherlich zu weiteren grauen Haaren verhalf – ich danke recht schön! Wir hielten immer wieder an Raststationen, denn er brauchte Kaffee, in Tagesmengen, die fast meine Jahresration überstiegen.

Venedig war viel weniger morbide und heruntergekommen, als ich dachte. Ich hatte den Stadtplan leider im Auto vergessen und so gingen wir einfach los, über Brücken und Kanäle zum Hafen. Bei diesem Anblickpackten mich meine Emotionen, sodass mir Tränen in die Augen stiegen, dieser Hafen schien Sinnbild für meinen Neuanfang zu sein. Wir spazierten weiter durch malerische Gassen.Als es zu dämmern begann, strebten wir wieder Richtung Bahnhof, um den Zug nach Mestre zu erreichen, wo das Auto parkte. Doch es war ein schwereres Unterfangen, als wir vermutet hätten. Im Dunkel erschienen alle Straßen gleich und immer wieder standen wir vor einer Häuserzeile, durch die es kein Hindurch gab. Die Richtung wusste Eddie, doch da die Sonne uns nicht mehr weiterhelfen konnte, schlugen wir Haken, wie zwei Hasen, die dem Verfolger Dunkelheit zu entkommen suchten.Nach einer scheinbaren Ewigkeit überquerten wir den Canale Grande vor dem Bahnhof: Alles war bezaubernd beleuchtet und Gondeln und anderen Boote schoben sich in mitreißender Wachheit durch das Wasser. Die meisten Touristen hatten die Stadt bereits verlassen und die Venezianer eroberten ihr Venedig zurück. Es war atemberaubend. Ich saß auf den Stufen vor dem Bahnhof, die ins Wasser führten, und sog die wundervolle Stimmung in mich ein. Ich hatte mich in Venedig verliebt! Die Stadt schien aus einer längst vergangenen Zeit ihre Lichter ins Jetzt zu werfen und ich konnte Einblick in ihre einstige Macht und Pracht erhaschen. Ich war überwältigt. Gegen 23h verließen wir Venedigs Zauberwelt.

In unserem Quartier lagen wir das erste Mal nebeneinander im Bett. Ich hatte extra einen kumpelhaften „Nachtlook“ gewählt, um nichts zu provozieren, was er nicht wollte – sexy war also nicht. Wir sprachen darüber, wie seltsam sich diese Situation anfühlte, dass ich so etwas Spontanes noch nie gemacht hatte und ob er schnarcht. Er lachte: “Nein, nicht dass ich wüsste.” Dann bot er mir seinen Arm zum Hineinkuscheln an. „Besser so?“, fragte er. „Ja“. So lagen wir eine geraume Zeit nebeneinander, wir waren beide total ko von der Fahrt und den Eindrücken. Der nächste Tag würde uns bis nach Neapel führen, dafür sollten wir ausgeschlafen sein. Doch mit dem Einschlafen wollte es nicht so recht klappen. Wir rutschten enger zusammen, dann küssten wir uns, dann streichelten seine Hände über meinen Körper, dann zogen wir unsere T-Shirts aus – Neapel konnte warten!

© Elisabeth Leeb 2022-04-06

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