Eine Liebesgeschichte Teil I

Adriana Ried

von Adriana Ried

Story

Zwischen Ohrensessel und Beistelltisch stehst du. Gedankenverloren räumst du ein Buch aus dem Schrank, lässt es langsam in der Hand hin und her gleiten, bis du es wieder in die Lücke schiebst. Versteckt liege ich, umhüllt vom Deckenhimmel, auf dem weißen Sofa. Mein Blick schaut gierig nach deinem nackten Körper, meinem gegenüber. Grauer Rauch, von den vielen Zigarettenstummeln durchdringt noch immer den hohen Raum um uns herum. Mit jeder deiner ruhigen Bewegungen drückt sich ein Muskel leicht gegen deine Haut. Rechte Hand zu Buch. Linke Hand weg vom Regal. Komm her zu mir. Komm her, ruft es in mir zu dir. Vorsichtig schieben sich deine schmalen Lippen zu einem schiefen Grinsen und deine warmen Augen haften fest an meinen Brüsten, wandern an einem unsichtbaren Faden hinunter, an meinem weichen Bauch entlang und sind sie an meinen breiten Schenkeln angekommen, lechzt die Sehnsucht, so rasen sie hinauf zu meinemGesicht.Langsamen Schrittes gleiten deine großen Füße über den riesigen Teppich, bis du ganz nah vor mir stehst. Dein Körper füllt mein Sichtfeld und bäumt sich als wohliger Schatten über mich auf. Dein Gewicht drückt mich sanft in das Sofa. Unser Atem wird eins, du nimmst ihn, ich von mir, ich ihn von dir.

Wir lassen kleine, runde Steine schnipsen, sie zerbrechen leise hüpfend die glänzende, sich spiegelnde Oberfläche. Schmecken wir dassalzigeNassaufden Lippen desanderenund mit tanzendenSchrittenreiben kreisend unsereblanken Füße aufwarmenAsphalt.VollerStolz zeigeich aufein Wolkentierchen und höredeineflüsterndeStimme,durch meineHaare hindurch,mitheißerLuftbegleitet,an meinemOhrvorbei raunen:„Wermiteinem Finger zumHimmel zeigt, schautnurderDummkopfden Fingeran.“Mitroten Wangen senkeich den Finger,doch dein lautesLachendurchdringtmich,lässtmeinen Körpervibrieren und meineBeinewackeln.

Zwischen Bohnen und Brot. Zwischen Bohnen und Brot beobachte ich dich. Ich wandere mit kleinen Schritten weiter, mein Blick fest auf dich gerichtet. Wir spielen ein Spiel, der Jäger und die Beute. Ich derJäger.Du dieBeute.Immerwiederverschwindestdu hinter Nudeln, Reis, Kartoffeln, Schokolade, dann entdecke ich dein braunes, welliges Haar. Ich grinse voller Stolz. Jetzt gehörst du mir. Nun wage ich es, schnell husche ich an jedem Menschen und überquellendem Regal vorbei, zu dir.ErgreifedeineHand und kralle mich an ihr fest. Ich habe dich. Mit einem ruckartigen Schwung hast du dich zu mir gedreht. Dein Blick schweift hektisch durch den Laden. Verwirrt versuche ich ihm zu folgen, jetzt reißt du dich aus meinem Griff und weichst einen Schritt von mir.Lassmich nicht allein, schreit es in meinem Kopf.Lassmich nicht allein. Meine Angst scheint dir zu gefallen, deine Lippen fangen wieder an zu grinsen und beruhigend flüsterst du mir ins Ohr: „Jetztich.1,2… versteck dich.“

© Adriana Ried 2023-01-03