von MISERANDVS
Als ich so da hocke, und mir langsam die Beine einschlafen, sage ich: “Ich hab überigens beschlossen, ich werd ein Buch aus meinen Geschichten im Blog über dich machen. Eigentlich dachte ich ja immer, mein erstes Buch würde ein Roman werden oder eine Sammlung meiner Gedichte oder so. Aber ich denke, mein erstes sollte von dir handeln. Ich finde den Gedanken schön, dass es jemand kauft und darin liest, was für ein wundervoller Mensch du warst. Und wie er oder sie mit jeder Geschichte deine zärtliche Art entdeckt und dein liebevolles Wesen erkennt, und wie er oder sie sich Blatt um Blatt in dich verliebt, wie ich, als ich deine Briefe gelesen habe und mich mit jedem mehr in dich verliebt habe. Sanft und zärtlich würde er oder sie eine Seite auf die andere legen und mit den Fingern langsam darüber streichen und sehnsüchtig seufzen. Und am Ende, da wäre er oder sie vielleicht genauso traurig wie ich, dass du nicht mehr da bist, aber dabei sehr glücklich, dich gekannt zu haben.“
Ich seufze.
“Aber du kennst mich ja. Ich habs nicht so mit dem Schreiben. Du kennst ja meine Briefe!” Und da lache ich laut auf, und blicke mich erschrocken um, ob mich nur ja keiner pietätlos hat lachen hören am Friedhof. “Ich müsste wohl alle Geschichten noch einmal überarbeiten. Du weißt ja, ich bin nie zufrieden mit meinen Worten, wenn es um dich geht. Nie sind sie mir gut genug. Nie sind sie mir schön genug, dich zu beschreiben. Ich hab Angst, jemand könnte das Buch lesen, und denken: ‚Wie tölpelhaft! Das ist ja derbe formuliert.‘, und dann würde er oder sie nicht schön über dich denken und meint am Ende gar, du wärst so langweilig gewesen, wie meine stümperhafte Wortwahl.”
“Wie oft hab ich versucht, dir zu erklären, was ich in meinem letzten Brief sagen wollte, weil ich dachte, du könntest mich missverstanden haben. Und immer hast du gesagt: ‘Ich hab dich schon verstanden, mein süßer Pollenkater.’ und hast mich geküsst, bis ich die Klappe gehalten hab.”
Tränen kullern mir über die Wangen, als ich frage: “Wie konntest du dich nur in mich verlieben? Du, du wunderschönes Wesen, sanft und lieb und zärtlich, musisch, clever und humorvoll, gebildet, mit so einem guten Herzen und deiner reinen Seele – in mich, den derben, ungeschlachten, tumben Klotz. Was schrieb ich in den einen Brief aus hundert, der dich so dumm und blind hat werden lassen, dass du auf einmal dachtest: ‘Der ist ja süß, den hab ich lieb.’?”
Ich heule lange, und dann sage ich: “Ach, Pollenfee, ich denke, deine Wahl war schlecht. So viele Bessere als mich hätt‘ es gegeben. Ein Arzt zum Beispiel. Der hätte dich beatmet. Du könntest leben… ”
Da steht auf einmal eine alte Schachtel da und sieht mich heulen. “Sind sie … Verwandschaft oder Bekanntschaft?”, fragt sie. Ich blicke auf den Haufen Erde vor mir, und sage schniefend: “Ich? Ich bin … niemand von Bedeutung.” “Ah!”, sagt sie, und trottet langsam davon.
“Man sollte ein Buch über dich schreiben. Jemand anderer als ich. Jemand, der dich beschreiben kann. Ich bin nicht gut genug.“
© MISERANDVS 2021-04-30