Eine Sternstunde

Jürgen Heimlich

von Jürgen Heimlich

Story

Meine Sterblichkeit wurde mir im Alter von 5 Jahren bewusst. Ich war mit meinen Eltern zum Begräbnis meiner Großtante eingeladen und wurde sogar gefragt, ob ich die Tante noch einmal sehen wolle. Das hat mein Verhältnis zu den Themen Sterben und Tod geprägt. Ich habe einen offenen Zugang dazu. Ein paar Jahre später, ich besuchte die erste Gymnasialklasse, machten wir eine Exkursion in die Katakomben des Stephansdoms. Die Vergänglichkeit allen Lebens mag erschreckend sein. Doch ohne Vergänglichkeit könnte nichts Neues entstehen. Als passionierter Friedhofsgänger liebe ich es, Grabinschriften zu lesen. Und es ist ein kleiner Bindestrich zwischen Geburts- und Sterbedatum, der dem Leben gewidmet ist.

Vielleicht ein Jahr nach der Erfahrung in den Katakomben haben meine Schulkollegen und ich den Prater besucht. Genau genommen nur eine Attraktion: Das Planetarium. Schon oft war ich daran vorbeigegangen, ohne in das Innere vorzudringen. Gleich in der Nähe des Eingangs befindet sich eine Weltkugel. Ich weiß noch genau, wie entzückt ich von der Projektion war, die uns Schüler erwartete. Der Sternenprojektor kann unglaubliche 9000 Sterne zum Leuchten bringen. Es bietet sich also ein fantastischer Sternenhimmel, an dem ich mich nicht satt sehen konnte. Darüber staunen Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Am 20. Juni 1964 wurde das Planetarium im Prater eröffnet. Hermann Mucke war von Anfang an bis in das Jahr 2000 hinein dessen Direktor. Ab 1971 übernahm er zusätzlich – ebenfalls bis zu seiner Pensionierung – die Urania Sternwarte. Es war ihm wichtig, insbesondere junge Menschen für die Astronomie zu begeistern. Er war auch Herausgeber einer astronomischen Monatsschrift. Es kann sogar sein, dass Herr Mucke uns Schülern höchstpersönlich einen Einblick in den Sternenhimmel gewährte.

Heute gibt es im Planetarium zahlreiche spektakuläre Shows zu sehen. Es werden sogar moderierte fiktionale Abenteuerreisen für Kinder angeboten. Verantwortlich für den grandiosen Einblick in den Sternenhimmel sind zwei Bogenlampen. Diese Lichtquelle zündet einen mit Edelgas gefüllten Glaskolben. Über eine Glasfaser wird jeder einzelne Stern von der zentralen Lichtquelle abgegriffen. Spezielle Linsensysteme erzeugen das Sternenlicht.

Viele Jahre habe ich mir gedacht, dass ich ein einzelnes Molekül im Universum bin. Ich habe mich isoliert gefühlt. Das hat mich verängstigt. Mit der Zeit hat sich dieses Gefühl verflüchtigt. Das Besondere ist ja, dass alles miteinander verbunden ist. Gäbe es keine Sterne, dann gäbe es uns nicht. Und ist es nicht unfassbar, dass es etwas gibt, und nicht nichts? Ich blicke gerne in den Sternenhimmel. In klaren Nächten kann ich sogar in Wien viele Sterne sehen. Und ich fühle mich dann gar nicht allein. Ganz im Gegenteil. Ich bin ein Teil von etwas ganz Großem!

Und die Reise zu den Sternen ist im Planetarium exorbitant.

© Jürgen Heimlich 2021-02-07

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