von Irene Werren
Meine Lieblingspizza ist „Pizza al tonno“: im Holzofen gebackener Pizzateig, dünn und knusprig, mit ausreichend Thon und rosa Zwiebelringen belegt und Olivenöl darüber getröpfelt- jeder Biss ein Genuss!
An einem frühlingshaften Sonntagmittag bekomme ich Lust auf eine Pizza al tonno. In meiner geflügelten Fantasie sehe ich sie schon tischfertig vor mir und mir läuft das Wasser im Munde zusammen. Schnell schnell, es muss sofort eine Pizzeria her! Eine Querstraße weiter lese ich PIZZERIA. Ich betrete sie sofort und suche mir einen Platz auf der Terrasse. Ich bin an diesem Mittag der einzige Gast. Vielleicht auch der erste heute überhaupt, denke ich, als ich mich umsehe. Alles wirkt etwas trostlos. In dieser Pizzeria arbeiten vier Italiener. Sie sprechen einen Dialekt aus dem Süden, soviel kann ich erkennen. Das sind schon mal gute Voraussetzungen. Ich komme auch in den Genuss der Aufmerksamkeit von diesen 4 Männern, sie reihen sich um meinen Tisch auf und fragen nach meinem Begehr. Mir wird die Speise- und Getränkekarte gereicht, die Vier räuspern sich und warten auf meine Bestellung. Vier feurig dunkle Augenpaare sind auf mich gerichtet, um mir buchstäblich jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Leider bin ich diesen Zuwendungen nicht gewachsen, ich bestelle stotternd eine Pizza al tonno und eine Flasche Mineralwasser. Dazu schaue ich jeden der Reihe nach an, damit sich keiner benachteiligt fühlt. Das Quartett tritt ab, laut und gestikulierend. Ob sie über die Bestellung reden oder über das gestrige Fußballspiel, kann ich nicht ausmachen.
Ich warte und warte. Die Männer reden und reden. Ich frage mich, ob überhaupt jemand in der Küche sei meine Pizza zubereitet? Doch plötzlich ist sie da. Der Koch serviert die Pizza höchstpersönlich und ist so erfreut über sein Kunstwerk, dass er sich über meinen Tisch beugt und mit seinem Smartphone ein Foto macht. Danach ziehen die Männer erleichtert ab. Ich schaue die Pizza an – und ich weiß nicht, was ich sagen oder denken soll. Sie sieht so ganz anders aus als in meiner Vorstellung. Ich bin so enttäuscht.
Der Pizzarand ist enorm dick, der Boden, das tragende Element, ist dünn und löchrig. Ich kann sogar den Teller sehen. Armselige Zwiebelringe und Thunfischteilchen schauen mich mitleidheischend an. Ich beginne tapfer zu essen. Der Teig ist ja heiß und gebacken. Ich werde nur die Hälfte der Pizza essen und den Fisch und die Zwiebeln auf die andere Hälfte schieben. Der Koch kommt zweimal an meinen Tisch und fragt, ob es mir schmecke. Ich bin nicht mutig genug, ihm die Wahrheit zu sagen, ich flunkere, sage ja, aber die Pizza sei zu groß. Ich lege Gabel und Messer dezidiert auf den Teller. Innerlich erleichtert, dieser Tortur entkommen zu sein, fragt mich der Koch tatsächlich, ob er mir die übrig gebliebene Hälfte noch einpacken dürfe. Ich denke: auch das noch. Ich nicke ergeben, bezahle und – flüchte!!!
Das Restaurant musste übrigens bald darauf schließen- aus verständlichen Gründen.
© Irene Werren 2022-07-16