Eine traurige Geschichte

Anna Merta

von Anna Merta

Story

Mittlerweile gibt es ihn längst, den Corona Alltag. Die meisten sitzen im Homeoffice, es läuft. Aber bald, schon sehr bald, sollen wir langsam und behutsam in unser altes Leben zurückgleiten. Wie das gelingen soll, darüber gibt es große Uneinigkeit und viele Ideen. Und so macht man sich auch selbst Gedanken. Rein mathematisch wäre es eine Gleichung mit mehreren Unbekannten: Was will der Arbeitgeber? Was will der Arbeitgeber des Partners? Was will die Schule und was der Kindergarten? Man bemerkt schnell, die Rechnung geht nicht auf. Also startet man Versuche, die Gleichung zu lösen. Der Chef (übrigens ein großer Konzern und kein kleiner Krämerladen) möchte das Leben an den Unternehmensstandorten Mitte Mai wieder langsam hochfahren. Es ist ein langes Meeting und allerhand Dinge werden andiskutiert. Zwischendrin ein Statement des Chefs: „Es kann aber nicht sein, dass jemand seine Kinder betreuen muss, dann muss noch jemand seine kranke Mutter betreuen. Da muss man ganz klar sagen, das kann nicht unser Problem sein!“

Aja. Natürlich kann das nicht das Problem der Konzerne sein. Nach einem Anruf im Kindergarten fühlt man sich gleich besser. Die Kindergärtnerin fragt genau nach, warum man denn Betreuung benötige. Das müsse sie, unlängst wollte sogar eine arbeitslose Mutter ihr Kind bringen. Aja. Leider ist nur überliefert, dass die Frau arbeitslos sei, wie es ihr sonst gehe, weiß man nicht. Vielleicht ist sie gerade psychisch besonders belastet und braucht Unterstützung? Und, richtete sie mir weiter aus, ich brauche nicht damit rechnen, dass eine Bezugsperson für unsere nicht mal 3-jährige da ist, die Gruppen sind nur provisorisch besetzt. Warum eigentlich? Sind Kindergärtnerinnen denn in Kurzarbeit? Unser Ansinnen war, unser Kind wieder behutsam in den Kindergarten zu bringen (weil sie dort nie „richtig angekommen“ ist), einen Soft-Start sozusagen, um ihr den Anfang zu erleichtern, weil es an Tag x ja funktionieren muss.

Während mein Mann und ich derzeit je zwei Fulltime Jobs machen – für unsere echten Arbeitgeber und als Lehrer(in) und Kindergärtner(in), fühlt sich sonst niemand für die Kinder (mit)verantwortlich. Die Probleme werden einfach in die Familien geschoben. Es ist leider eine andere Realität als uns die Regierung in den Pressekonferenzen weismachen will. Es macht mich wütend und traurig zugleich, dass man Familien im Stich lässt und nach anfänglicher Weichspülerei plötzlich sagt: „Das ist jetzt aber bitte euer Bier!“ Und so kann ich nicht mal jemandem sagen, wie unendlich stolz ich auf unsere Kinder (knapp 3 und 7) bin, dass sie uns unterstützen und wir nur durch ihr Verhalten und Entgegenkommen unserer Arbeit nachkommen können. Wie traurig, dass die Kinder, die unsere Zukunft tragen, keine Lobby haben!

Leider habe ich keinen Einfluss auf die Umverteilung von Steuergeldern. Kein Cent, den meine Kinder jemals erwirtschaften werden, sollte diesen Menschen in Form von Pensionsgeld zugute kommen.

© Anna Merta 2020-04-30