Als wir vor mehr als zwanzig Jahren die Einladung zur Teilnahme an einem Firmenseminar in Chile erhielten, schien uns das zunächst verrückt. Zahlte es sich aus, dazu extra um die halbe Welt zu reisen? Zufällig war damals meine Tante aus Uruguay in Wien zu Besuch, die uns ermutigte diese Chance zu ergreifen. Sie lud uns ein, sie in Montevideo zu besuchen und dann auch noch eine Rundreise durch Argentinien einzuplanen. Dazu gab sie uns viele gute Ratschläge.
Der eigentliche Auslöser für diese Reise rückte dadurch an deren Ende: Chile. Während mein Mann an dem Seminar in Renaca teilnahm, machte ich mich auf den Weg, um mit dem öffentlichen Bus die Gegend zu erkunden. Dabei kam ich auch nach Valparaiso, wo die Ankündigung einer Ausstellung von Picassos Zeichnungen im Palacio Barburizza mein besonderes Interesse erweckte. Ich war sowohl von der Ausstellung als auch vom nostalgischen Ambiente der Räumlichkeiten begeistert, doch wunderte ich mich über den seltsamen Namen, der mir so gar nicht spanisch vorkam.
Ein paar Jahre später verbrachte ich einen Erholungsurlaub auf der kroatischen Insel Koločep in Dalmatien. Auf einem meiner Spaziergänge durch die Pinienwälder begegnete ich einem älteren Herrn, der sich gerade eine frische Frucht von einem Feigenbaum pflückte, während ich nach Lorbeerblättern suchte, die ich trocknen und mit nach Hause nehmen wollte. Dabei kamen wir ins Gespräch und er stellte sich in gutem Englisch als Mr. Barburizza vor. Da erinnerte ich mich, dass ich diesen Namen einmal in Chile gehört hatte und fragte ihn geradewegs, ob er dort vielleicht Verwandte hätte. Da lachte er und erzählte mir die Geschichte seines Onkels, der im vorigen Jahrhundert nach Chile ausgewandert war und dort scheinbar wertloses Land zu einem billigen Preis gekauft hatte. Es stellte sich jedoch heraus, dass dort bedeutende Salpetervorkommen waren, die ihn zu einem reichen Mann machten. Da er mit dem neu erworbenen Reichtum auch seiner alten Heimat etwas Gutes tun wollte, finanzierte er unter anderem den Ausbau des Hafens und der einzigen Straße, die die Insel heute noch durchquert. Nebenbei ließ er auch eine große Villa an der Hafeneinfahrt für seine Familie errichten, die mir schon aufgefallen war, sich jedoch damals infolge des letzten Krieges in einem äußerst desolaten Zustand befand. Heute strahlt die Villa in neuem Glanz und wird vermietet.
So hatte sich der Kreis geschlossen und ich konnte nur staunen, wie klein die Welt manchmal sein kann.
© Brigitte Thonhauser 2020-08-03