von David Preiß
„Wie lange noch?“ Ich war schon den Tränen nahe. „Eine halbe Stunde, dann haben wir es geschafft!“ 30 Minuten später fragte ich erneut: „Wie lange noch?“ „30 Minuten noch, dann haben wir es geschafft!“
Mit 14 Jahren begann für mich meine sportlich aktivste Zeit. Ich kann gar nicht mehr genau sagen, wie ich auf einmal so besessen davon war, jeden einzelnen Tag zu trainieren, doch nichtsdestotrotz war das Training auf meiner Prioritätenliste ganz klar an erster Stelle. Egal ob ich zuvor 2 Stunden klettern war oder mich in der Schule im Turnunterricht abgerackert hatte – es gab niemals Excuses. Dies merkte natürlich damals auch mein Vater und nahm sich vor, mir eine Lektion fürs Leben zu erteilen.
Da ich neben dem Krafttraining mit 16 auch Halbmarathons lief, forderte er mich dazu auf, ihn auf dem Weg zum Schöckl zu begleiten (Der Schöckl ist der Hausberg in Graz, der etwas nördlich liegt) . Natürlich war das damals für mich ein absoluter Nobrainer, da ich ja ganz genau meinen Körper und seine Limits kannte. Doch wie sehr man sich manchmal im Leben täuschen kann ist wirklich erstaunlich.
Um 9 Uhr in der Früh brachen wir gemeinsam mit dem Rad auf und ich hatte nichts gefrühstückt, da ich mir eingebildet hatte, das Essen auf der Spitze vom Schöckel würde locker ausreichen. Nachdem wir über eine Stunde kräftig in die Pedale getreten hatten und immer noch in Graz waren, interessierte es mich, wann denn nun endlich der Anstieg des Berges kommen würde. „In etwas mehr als 20 Kilometern.“ Wie ich dann erfuhr, mussten wir erst einmal ca 35 Kilometer bis zum Anstieg fahren! Ein mulmiges Gefühl stieg in mir hoch.
Als wir dann endlich zur steil nach oben führenden Straße kamen (es sollten 13 weitere Kilometer folgen), merkte ich, dass diese Fahrt noch lange andauern würde. Nicht nur auf dem Rad, sondern in meinem Kopf. Nachdem wir fleißig weitergemacht hatten, entfloss meiner Kehle ein tapferes: „Wie lange noch?“ Die Antwort war: „Schau wie schön die Vögel zwitschern!“ Da es zu steil zum vielen Reden war, gab ich meinen Drang auf, eine klare Antwort zu bekommen.
Etwas später fragte ich wieder und die Antwort war: „30 Minuten noch.“ Nach 30 Minuten war die Antwort: „30 Minuten noch.“ Und nach weitern 30 Minuten war die Antwort: „30 Minuten noch.“ Ich stieg vom Rad, da ich schon leichte Krämpfe am ganzen Körper hatte, doch mein Vater radelte einfach weiter. So als wolle er mich dazu challengen, weiterzumachen. Das ganze ging so lange weiter, bis ich kurz vor dem Gipfel in Tränen ausbrach und die letzten hundert Meter schob.
Das spannende war dann die Rückfahrt, weil es ja wieder über 40 Kilometer waren und ich vorher schon körperlich am Ende gewesen war. Krämpfe am ganzen Körper (um die 10) und massiver Schüttelfrost für 2 Stunden danach waren das Resultat. Doch dieses Ereignis prägt mich bis heute: Wenn wir glauben nicht mehr zu können, geht noch einiges! Unser Mindest gibt die Limits im Leben vor und wir können oft viel mehr bewirken als wir uns vorstellen können!
© David Preiß 2020-02-20