Eine Woche mit dem Planwagen durch Irland

TintaJoyce

von TintaJoyce

Story

Eigentlich unglaublich, dass man einer völlig Pferde-unerfahrenen Familie, ein Pferd samt Planwagen, so völlig sorglos anvertraut. Das war im Sommer 1972. Mein Vater kam auf die Idee. Die Kataloge waren vielversprechend: Entweder mit dem Kanalboot oder einem Pferdewagen quer durch Irland, was wollt ihr lieber? Die Entscheidung fiel, hauptsächlich aufgrund unserer See-untauglichen Mutter, auf das Abenteuer mit dem Planwagen. Von Cork nach Dublin, oder umgekehrt, so sollte es sein.

Unser Pferd hieß Charly. Charly war ein gemütlicher, weißer Tinker und kannte den Weg. Niemand traute sich, Charly zu putzen. Im Eimer lag sein Zubehör. Aus demselben Eimer bekam Charly seine täglich, genau bemessene Ration Hafer.

Ich war mit sechs Jahren noch nicht groß genug, um ihn weiter oben striegeln zu können. Also gewöhnten wir uns an ein neues morgendliches Ritual: Ich führte Charly von der Koppel eines Bauern und fand dann einen geeigneten Putzplatz. Vom Zaun oder Mäuerchen aus, kam ich viel besser ran.Das Auskratzen der Hufe übernahm dann doch besser mein großer Bruder. Dann war das Frühstück fertig. Es gab jeden Tag das Gleiche: Grießbrei oder Rührei mit Schinken und Toast, ungetoastet.

Als ich mich mit meiner Mutter zum solidarischen Pinkeln in Gräsern und Farnen niederhockte, was wirklich ungewohnt, und dennoch lustig war, erzählte sie von einer Frau, die sie im Hofladen des Bauern kennengelernt hatte. Ihre Familie hatte ihre Planwagenreise im Preisausschreiben gewonnen, bei„Golden Toast“. Aus Protest, das andere so viel Glück haben konnten, habe ich diese Toastsorte mein weiteres Leben lang gemieden.

Als ich einmal neben meinem Vater auf dem Kutschbock saß, erzählte er mir, dass meine Oma Zilken (sie war gar nicht meine richtige Oma, aber ich durfte sie trotzdem so nennen, weil sie so klein war wie ich und immer Zeit für mich hatte, zum Spielen), nun in den Himmel gekommen war. Ich schaute in den irischen Himmel, in dem so viele, dicke Wolken hingen. Dort war sie also jetzt, irgendwo da im Himmel, und schaute auf uns herab. Nie mehr wieder dachte ich an sie, weil ich verstand, dass es anscheinend so richtig war, wenn ein alter Mensch genug gelebt hatte.

Ich saß nun fast immer auf dem Kutschbock und durfte nach Absprache auch mal ein Kommando geben:„Hoo, oder Teerab!“

Eines Sonntags waren wir auf dem Heimweg, nach Cork oder Dublin. Mein Vater hatte es wohl zu gut gemeint und Charly eine größere Haferration gegönnt, oder war es vielleicht meine großzügige Mutter gewesen?Im Galopp jagte unser Planwagen durch eine Menge schwarz gekleideter Kirchgänger. Es war wohl keine Beerdigung? Unendlich viele Feldsteinmauern und ebenso viele Tore, die man öffnen und schließen musste, um weiterfahren zu können, tägliches Zähneputzen im hohen Gras, Lieder die wir abends zur Mundharmonika sangen, Lagerfeuer und Fish & Chips, all das liebte ich.

Mein Pferdevirus wurde in dieser Woche unauslöschlich geboren.

Foto: eliane zimmermann unsplash

© TintaJoyce 2021-03-11

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