von Franz Brunner
Ăber Kunst zu schreiben setzt voraus, dass man(n) ein bisschen was ĂŒber Kunst weiĂ. Um der drohenden Blamage zu entgehen, recherchiere ich heimlich im Internet, ich mache mich quasi schlau. Und siehe da, bereits nach wenigen Stunden verwegenen Surfens habâ ichâs tatsĂ€chlich geschafft: Ich bin deutlich weniger schlau als vorher. Geradezu verwirrt bin ich ĂŒber das, was ich da erfahre. UnzĂ€hlige Definitionen, ErklĂ€rungen und Zitate prasseln auf mich ein, doch setze ich mich zur Wehr und pick mir frech ein paar Rosinen raus. Rosine eins stammt aus Wikipedia, ein Satz zur Definition des Kunstbegriffs hatâs mir da besonders angetan:
âIm engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter menschlicher TĂ€tigkeit benannt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind.â
Punktlandung. Das istâs, das trifft genau auf mich zu, dergleichen produziere ich tatsĂ€chlich hĂ€ufig. Ăberwiegend abstrakte Dinge, die keine erkennbare Funktion haben, fĂŒr mich dennoch nicht ganz nutzlos und schon gar nicht wertlos sind. Texte sindâs vor allem, die da entstehen, mit allenfalls therapeutischem Nutzen fĂŒr mich selbst. Die zweite Rosine stehle ich dreist von einer Web-Seite, die berĂŒhmte Zitate zur Definition von Kunst anbietet. Von âthe-creative-business.comâ, da habâ ichâs geklaut und Yoko Ono, die Witwe des legendĂ€ren John Lennon hatâs gesagt:
âKunst ist ein Versuch, dich einen halben Zentimeter ĂŒber dem Boden schweben zu lassen.â
Wirklich eine leckere Rosine, die ich da im HĂ€ufchen gefunden habe. Nun, auf einen halben Zentimeter habâ ich es trotz heftigen Flatterns noch nicht geschafft, wahrscheinlich istâs nicht einmal ein Millimeter. Darum bin ich auch kein KĂŒnstler, da ist wohl die Flughöhe zu gering. Bin ich zu schwer, hĂ€lt mich zu viel Ballast am Boden der RealitĂ€t? Oder muss ich noch wilder mit den FlĂŒgeln schlagen? Ich vermute eher, dass mich die Musen nur aus Versehen nicht ausreichend gekĂŒsst haben. So wird es wohl sein, die haben mich glatt ĂŒbersehen. Glatt? NatĂŒrlich, das ist das SchlĂŒsselwort, das ist die Lösung. Ich rasiere mich extraglatt, bedufte mich körperregionsĂŒbergreifend mĂ€nnlich herb und warte geduldig ab. Nicht hektisch flattern und Energie vergeuden, sondern listig ködern. Irgendwann werden sie wieder vorbeikommen, denn fĂŒr das Heer von inspirationsbedĂŒrftigen KĂŒnstlern reichen die neun Töchter von Gottvater Zeus nicht aus, sie mĂŒssen da schon in einer Art Rundkurs regelmĂ€Ăig vorbeifliegen, um ihre KĂŒsse halbwegs gerecht zu verteilen. Ăber kurz oder lang werden die Musen mich entdecken, mich unwiderstehlich finden und in der Folge intensiv kĂŒssen, da sie ja was nachzuholen haben. Sehr rasch werde ich an Flughöhe gewinnen, einem Kunstflieger gleich unglaubliche Dinge tun, und ab 5mm „Over Ground“, da bin ich endlich KĂŒnstler. Und dann, dann mache ich so richtig ausgelassen Kunst.
© Franz Brunner 2021-01-12