Einfach weiterlaufen Teil 1

„Laufen Sie einfach weiter. Bitte einfach weiterlaufen. Sehen Sie nicht, dass das den Hund irritiert?“

Wie bitte, ich glaube ich höre nicht richtig.

„Wenn ich weiterlaufe, rennt Ihr Hund ja wieder bellend auf mich zu.“

Der kleine Hund steht zwischen seinem Herrchen und mir. Uns trennen drei Meter. Es ist abends, und dunkel, der Asphalt ist nass. Aber es gibt noch einen zweiten Hund; eine französische Bulldogge, die hingegen ist, die Ruhe selbst und hat sich für mich nicht interessiert, als ich auf der anderen Straßenseite um die Ecke gelaufen bin. Nur dieser kleine Hund; erfüllt alle Kriterien eines Schoßhündchens und klingt auch so. Eine richtige Töle. Als der Fiffi das erste Mal auf mich zu gerannt ist, bellend und ungebremst, habe ich mich zu dem Hund gedreht. In dem Moment hat er abgedreht und ist wieder in Richtung seines Herrchens gelaufen, der ihn mit „Sissi, komm mal her“ vergeblich versucht hat zu sich zu rufen. Sissi ist stattdessen ein paar Meter von seinem Herrchen entfernt stehen geblieben. Ich entschied mich, nun weiterzulaufen, also drehte ich mich wieder in Richtung meiner Spaziergangrichtung und in dem Moment begann das Spiel von vorne; Sissi rennt kläffend auf mich zu und der Typ versucht vergeblich sie zu sich zu rufen. Ich hielt also wieder an und drehte mich ihr zu, sodass sie wieder stoppte und aus Angst in Richtung ihres Herrchens rannte. Ich habe hier einen fremden Hund vor mir, der mich anbellt und auf mich zu läuft, bei dem ich nicht einschätzen kann, wie er reagiert, wenn ich einfach weiterlaufen würde.

„Bitte gehen Sie einfach weiter. Sehen Sie nicht, dass das den Hund irritiert?“, sagt der Typ noch einmal, so als wenn ich das Problem wäre.

Als ich mich entschiede weiterzulaufen, bellt Sissi wieder; ich kann nicht richtig sehen, ob sie wieder auf mich zu rennt, aber irgendwo gehe ich davon aus, dass hinter der Kläfferei nichts steckt, als 3 kg mageres Fleisch mit toupiertem Fell.

„Einfach weitergehen.“

Mir reichts: „Es ist doch Ihr Hund, der mich anbellt!“ rufe ich noch in Richtung des Typens, während ich mich weiter entferne, mit der Hoffnung nicht in die Hacken gezwickt zu werden. Umdrehen tue ich mich nicht, ich höre noch ein „sollen einfach weiterlaufen, man“ und dann ist es still. Ich merke meinen Puls in meinen Armen, an den Schläfen und mein Herz in der Brust. Der Hund war so groß, wie eine Wassermelone, aber Angst richtet sich nicht nach Größen. Ich denke an die Rechtslage und weiß, dass im Falle einer Verteidigung meinerseits ich immer das Recht der Notwehr ausüben würde und mich nicht vor Gericht verantworten müsste, aber dennoch fällt es mir schwer selbstbewusst zu sagen; du hast alles richtig gemacht. Mit jedem weiteren zitternden Schritt wird mir klar, was das für ein dreister und empathieloser Typ war. Wut steigt in mir auf. Ihr Hund rennt bellend auf mich zu ohne Grund? Ja, na klar, ich laufe einfach weiter. Ich kenne Ihren Hund zwar nicht, aber die Regel; Hunde, die bellen beißen nicht,wird schon stimmen.