von Manfred Voita
Ferien auf Saltkrokan. Darauf haben wir doch wohl ein Recht. Ich habe weder das Buch gelesen noch die Fernsehserie gesehen, damals, als wöchentlich eine Folge ausgestrahlt wurde und man die Hälfte der Sendezeit brauchte, um zu beschreiben, was bisher geschehen war. Natürlich spielte es in Schweden. Da war ich auch schon. Nicht auf Saltkrokan, das übrigens klingt, als habe es Ikea erfunden, irgendwas Knuspriges mit Salz.
Aber Schweden und Sommer passen richtig gut zusammen. Das schwedische Fremdenverkehrsamt hat saubere Arbeit geleistet, denn wo bitte gibt es weniger Sommer als in Schweden? Die fahren Ski, das ganze Jahr über, es ist dunkel und kalt. Rentiere knabbern das Kostüm des Weihnachtsmanns an und betrunkene Kobolde machen Jagd auf Walfische. Genug davon, mir gehen gerade die Klischees aus.
In Wahrheit fallen mir sofort die Schären ein, eine betörend stille Ostsee, bunt gestrichene Holzhäuser, überall Fahnen und Boote und Kinder mit einem Eis in der Hand und es riecht nach trockenem Holz und nassen Badesachen, nach Erdbeeren und natürlich nach nassem Hund. Oh, die Klischees waren doch noch nicht alle.
So muss Urlaub sein, Ferien müssen so sein. Schon die Umbenennung in Urlaub macht was kaputt. Ferien waren sechs Wochen lang und kamen, ob man sie buchte oder nicht. Buchen mussten wir Baltrum. Drei Tage. Wir mussten nicht, wir wollten schon. Und es war nicht Juli oder August, sondern Anfang September. Baltrum ist eine ziemlich kleine Insel. Verglichen mit den Schären natürlich ein Kontinent. Wenn man morgens rechtzeitig losgeht, hat man mittags die Insel umrundet.Die Häuser sind nicht bunt, sondern norddeutsch sachliche rote Klinkerbauten. Hier wird Urlaub gearbeitet.
Die Seeseite der Insel ist, wo das Westdorf liegt, eine Festung gegen die Gewalt der Nordsee. Wenn Abschreckung gegen Sturmfluten helfen würde, schon die nächste Flut fiele aus! Die Touristen stört das nicht, die sitzen abends auf und zwischen den Betonklötzen, einen Aperol Spritz in der Hand und erwarten den Sonnenuntergang. Falls es keinen grandiosen Sonnenuntergang gibt, war zumindest der Alkohol nicht umsonst. Man isst und trinkt gut auf Baltrum.
Das Personal kommt aus Osteuropa, Das erzeugt schöne Situationen. Der polnische Kellner und die Gäste aus dem Ruhrgebiet begrüßen sich mit Moin. Natürlich den ganzen Tag über, so gehört sich das in Ostfriesland.
Baltrum wird geliebt, das spürt man überall. Gestiftete Bänke zeigen die Anhänglichkeit und Dankbarkeit langjähriger Gäste. Auf Baltrum sieht man auch mehr Rollatoren als Surfbretter, auch das ist gut so. Irgendwo müssen wir ja hin, wir Babyboomer, die wir uns die Inseln leisten können. Mit Kurt Vonnegut ließe sich sagen, dass alles schön war und nichts wehtat. Es war schön auf Baltrum und wir fahren bestimmt nicht wieder hin. Warum nicht? Vielleicht, weil es einfach nicht Schweden war, nicht die Ferien unserer Kindheit. Leider bietet Baltrum keine Zeitreisen an.
© Manfred Voita 2022-09-17