von Catrin_mit_C
„Fahr doch mal bei mir hinten mit“ sagte mein damaliger Freund und ich willigte interessiert ein, wenngleich auch das mulmige Gefühl in der Magengegend schon auf der Matte stand. Stolz war er auf seine Suzuki – eine genaue Bezeichnung kann ich leider nicht liefern, dafür kenne ich mich zu wenig aus. In Frauenworten gesagt: Ein sportliches, schnelles Motorrad und blau war es (so ein Modell wie auf dem Foto). Namen geben die Männer ihnen – seins hieß „Susi“. Wenn sie meinen, dafür geben Frauen oft ihren Brüsten Namen. Klingt komisch, ist aber so. Die Woche davor stöberten wir noch durch einen Motorradladen – ich hatte das erste Mal eine Lederkombi an und das machte schon etwas her muss ich gestehen. Er würde sich für unseren Ausflug um alles kümmern, ich müsse nichts besorgen. So war es dann auch. Präsentiert bekam ich ein zusammengewürfeltes Goretex-Outfit seiner Mutter – gut, wir gehen nicht auf den Laufsteg, aber so eine enganliegende Lederkombi wäre schon eher meins gewesen. Jetzt sah ich eben aus, als würde ich in meinem zwei Nummern zu großen Schutzanzug gleich zum Hundetraining gehen. Mein Helm war zum Glück aufklappbar – hab da ein Geburtstrauma und ziehe mir nur ungern zu enge Dinge über den Kopf.
Aufsteigen war einfach – da saß ich nun auf dem kleinen gepolsterten Eck, einen Kopf über den Fahrer. Zwei kleine Bügel zum Festkrallen (und wie ich mich hier festkrallte) und los gings. Es fühlte sich schnell an. Sehr schnell. Man ist dem anderen vollkommen ausgeliefert, das erfordert enormes Vertrauen. Bremse suchen braucht man auf seinem billigen Plätzchen nicht. Am Ende klammerte ich mich lieber doch am Fahrer fest und sah gar nicht mehr nach vorne. Mein Kopf mit dem monströsen Helm schlackerte ansonsten zu sehr im Fahrtwind von links nach rechts, Insekten hatten bereits ihr Kunstwerk auf dem Visier hinterlassen. Aber ich habe gelernt und steuere in der Kurve nicht mehr dagegen…
Pause am malerischen See. Er in seiner enganliegenden Profikluft und ich in meinem second hand Fummel watschelte hinterher. Der Durst drängte meine Eitelkeit in die Ecke. Wenig später hieß es dann: Aufsteigen und weiter. Der Motor heulte auf, die Blicke der Passanten waren uns sicher. Meine Beine begannen langsam vor Anspannung zu zittern. Ich verkrampfte mich zunehmend und als wir daheim waren, hatte ich die Bescherung. Ich konnte nicht mehr von diesem Höllenteil runter. Die Beine waren kraftlos und ich war nicht in der Lage abzusteigen. Nachdem mein Wadenkrampf nachließ, kam sein Vater herbei und hievte mich stützend herab – gut, dass ich mich vor Scham unter dem Helm noch verstecken konnte. Ich setzte mich ins Gras, bis der Wackelpudding unterhalb der Hüfte wieder zum Leben erwachte.
Es war eine Erfahrung, ganz klar. Schwerelos und einfach frei. Aber wenn man sich vor Augen hält, wie gefährlich das Ganze ist, verzichte ich lieber auf Wiederholung. So weit oben auf dem Mini-Thron fühlte ich mich doch irgendwie zum Abschuss freigegeben.
© Catrin_mit_C 2021-08-02