von Päter_Runkverr
Mit 20 Jahren arbeitete ich als EDV-Techniker bei einem Gemeindebetrieb. Das Ausmaß der zu erledigenden Arbeit war nicht nur in meinem Bereich überschaubar. So bestand der Großteil unseres Tages aus dem Schreiben privater E-Mails und von etwaigen Chef*innen möglichst unentdeckten Treffen.
Da entstanden, um die verpflichtend abzusitzende Zeit ein wenig flotter vergehen zu lassen, durchaus interessante Kunstprojekte. Im Kopierraum gab es beispielsweise eine elektronische Tackermaschine, die mit einem Sensor ausgestattet war. Wenn man die zu tackernden Zettel darunterhielt, wurde die Maschine aktiv und tackerte bei Bedarf auch problemfrei 50 Seiten zusammen. Mit ein wenig Plastilin, zur Not auch mit einem flachen Radiergummi, konnte man den Sensor überlisten und die Tackermaschine begann in der Geschwindigkeit eines Maschinengewehrs, das Plastilien oder eben den Radiergummi zu tackern, während die Klammern, weil ja keine tackerbaren Zetteln da waren, neben den Tisch flogen, wie Patronenhülsen in einem Actionfilm. Die wahre Challenge war aber das Entfernen des Plastilins/Radiergummis, ohne sämtliche Finger mit 15 Klammern zusammengetackert zu haben. Zugegebenermaßen war das aber eher in jüngeren Jahren interessant und da ich mit 20 damals natürlich schon extrem alt, reif und erwachsen war, verlegte ich mich rein auf das Schreiben privater Nachrichten mit auserwählten Personen.
Mit einem meiner besten Freunde, testete ich beispielsweise einmal, wie es sich anfühlen würde, wenn man sich täglich, alle fünf Minuten ein leeres Mail schicken und mit einem ebenso leeren Mail darauf antworten würde. Wir stellten fest, dass die Freude über ein neues Mail und das befriedigende Gefühl darauf geantwortet zu haben, weil man dann ja wieder ein neues Mail zum Zeitvertreib bekommt, nahezu die gleiche war, wie bei Mails mit Inhalt. Spannend.
Eine gleichaltrige Dame, machte sich beispielsweise einen Sport daraus, durch das Schreiben von anzüglichen Mails, für sie interessante Männer dazu zu bringen, mit ihr am Dienst-WC nette Stündchen zu erleben. Natürlich sah sie auch so aus, dass 99,9 Prozent aller heterosexuellen Männer dem Angebot liebend gerne nachkamen. An jenem Tag war ich ihr auserwähltes Opfer. Mein Geist war fest entschlossen nicht in ihre Falle zu tappen, aber die Hormone meines 20-jährigen Ichs, machten das zu meiner Zenprüfung. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und wollte sie zur Rede stellen, um ihr zu sagen, diesen Blödsinn gefälligst sein zu lassen, weil bei mir eben nichts ginge und sie solle sich für ihre Spielchen einen anderen suchen.
Glücklicherweise traf ich auf dem Weg zu ihrem Büro Markus, einen guten Freund von mir, der mich traurig und hilfesuchend ansah. So musste ich gar nicht erst irgendeiner hypothetischen Versuchung widerstehen. “Was ist denn los?”
© Päter_Runkverr 2021-08-02