von Frederik Dressel
Es war das, was er wollte, das musste er sich immer wieder vor Augen halten. Weshalb es vermutlich auch nicht stimmte. Die Wahrheit brauchte keine ständige Bestätigung; sie war. Und irgendwo wusste er das ja auch.
Wusste er, dass ihm diese Beziehung nicht guttat, wenn er wieder den ganzen Tag zu nichts gekommen war, weil er an nichts anderes hatte denken können, als daran, wo sie war und was sie gerade machte. Wenn er ihr dann später vormachte, dass dem nicht so gewesen wäre und dass er sich hätte bestens mit sich selbst beschäftigen können. Und wenn er dann die ganze Nacht wach neben ihr im Bett lag und sich fragte, ob es wirklich nur ihr Parfum war, dass er an ihr roch.
„It’s as good as it gets“, besser wurde es nicht. Das traf es schon eher. Denn natürlich hätte er sich gewünscht, dass ein paar Dinge anders gewesen wären. Exklusivität, beispielsweise, die hätte er gerne gehabt, aber gerade die war es, die sie ihm nicht versprechen konnte, das hatte sie von Beginn an gesagt. Und das verstand er ja auch.
Die als Asexueller von einem Partner zu verlangen, der nicht asexuell war, war, wie als Vegetarier auf eine Grillparty zu gehen und darauf zu bestehen, dass die anderen Gäste auch kein Fleisch aßen.
Und wenigstens bemühte sie sich, ihre sexuellen Ausflüge vor ihm zu verheimlichen, so war es nicht. Duschte und wusch sich, bevor sie abends zu ihm auf die Couch kam, oder ins Bett, und hätte auch nie einen Mann mit zu ihnen in die Wohnung gebracht, das hatte sie ihm versprochen. Sie sagte ihm auch nicht, wenn sie ein Date hatte oder einen Mann traf (auch wenn er ihr das natürlich ansah); immer waren es Freundinnen, mit denen sie wegging, oder eine ihrer Schwestern, und es waren diese ‘white lies’, die es ihm erlaubten, ihr ohne Gesichtsverlust „Viel Spaß‟ zu wünschen.
Und das tat er aufrichtig. Er wollte, dass sie Spaß hatte, sich amüsierte; dass es ihr gut ging. Weil er sie liebte, wahrscheinlich.
Sonst hätte er sich doch niemals auf das eingelassen, was sie hier machten und was sie ihr „Projekt‟ nannten. Und was im Endeffekt eine ‘WG mit Vorzügen’ war. In der sie wie ein ganz normales Paar zusammenlebten (oder zumindest so, wie er sich vorstellte, dass ein ganz normales Paar zusammenlebte), aber zwei Schlafzimmer hatten – und keinen Sex. Und in der sie doch so gut wie jede Nacht im gleichen Bett verbrachten.
Und wenn sie das taten, wenn sie Hand in Hand unter der Decke lagen, oder sie in seinen Armen, den Kopf auf seiner Brust, und er ihr Haar riechen und ihre Wärme an seinem Körper spüren konnte, während sie sich bis in den frühen Morgen über all das unterhielten, was sie beschäftigte, dann war das auch wirklich genau das, „was er wollte“.
Wenn da nur nicht die anderen Abende gewesen wären. Die, an denen sie ‘unterwegs’ war, so wie heute, und an denen ihm nichts Besseres einfiel, als am Küchenfenster zu stehen und eine Zigarette nach der anderen zu rauchen.
Und darauf zu warten, dass sie heimkam.
© Frederik Dressel 2021-11-01